Das zweite Mal den König vom Bayerwald beim UTLW (Ultra Trail Lamer Winkel). Es wurde nicht leichter als 2015.
Irgendwo dazwischen
Kurz nach dem Gipfel des Großen Arber sehe ich Matt und kann ihn überholen. Er hat all seine Wasservorräte aufgebraucht und hat Durst. Es ist nicht mehr weit bis zur Verpflegungsstation an der Seilbahn.
Im Downhill kündigt sich der nächste Krampf in den Beinen an. Das Wasser hat meinen Körper durchgespült und der Schweiß alle Mineralien nach draußen befördert. Hoffentlich gibt es Iso.
Wir schlängeln uns durch die Touristenströme runter zur Station. Ein großer Behälter steht dort: „Iso“.
Aber er ist leer.
Wir fragen nach, doch es ist alle und es gibt auch nichts mehr. Eine Welt bricht zusammen. 15 Kilometer habe ich darauf gehofft, davon geträumt. Doch nein, keine Erfüllung.
Kurz stösst es mir böse hoch und meine Wut entlädt sich wie so etwas passieren kann. Doch die Helfer können nichts dafür.
Eine der Helferinnen gibt mir ihre eigene Flasche mit Cola-Mix. Ich bin unfassbar Dankbar über diese Geste. Sie ist meine Heldin. Ich bin glücklich für den Moment.
Wir teilen uns zu viert die kleine Flasche. Den Rest Zucker versuche ich mit Tee zu mir zu nehmen.
Stehen geht gerade nicht nicht. In der Hocke kündigen sich weitere Krämpfe an. Die Gedanken an den Rennabbruch sind groß. Mit der Seilbahn ins Tal und dann irgendwie zurück nach Lam. Das wäre gemütlich und die Wasserschlacht hätte eine Ende, mit kaltem Bier.
DNF? Abbruch? Es sind noch 25 Kilometer und über 1.000 Höhenmeter ins Ziel. Die schwül-warme Luft ist immer noch erstickend.
DNF?
Der König vom Bayerwald – ein zweites Mal
Bereits im letzten Jahr stand ich zur Premiere des UTLW – Ultra Trail Lamer Winkel am Start. Die sensationelle Strecke und die Athmosphäre liessen mich am Tag der Anmeldung für 2016 schnell handeln und mich registrieren. Neben der Zugspitze etabliert sich der UTLW als zweites Familientreffen der deutschen Trailrunning-Szene. Und so begrüßte ich gestern nicht nur meine Mitfahrer sondern spätestens bei der Anmeldung und dem RaceBriefing eine Menge Bekannter.
Doch das Bett ruft.
Ich bin definitiv zu groß für das Bett. Meine Füße liegen auf der Begrenzung und schmerzen. Schräg liegen, dagegen hat Jörn sicher etwas. Es ist kurz vor 5 Uhr. Na gut, dann raus ins Bad, Musik rein und gemütlich vorbereiten. Jörn muss gut schlafen. Er hätte mich wohl sonst bei den Wolle-Petry-Motivations-Songs mit spitzen Gegenständen beworfen. Helene gibt es heute mal nicht.
Frühstück und schon sind wir auf der Wanderung zum Start. Jörn und Florian begleiten mich. Da es erst am Nachmittag einen Shuttle gibt, ich aber keine Lust habe auf dieses hin und her, gehen wir die 3 Kilometer bis zum Seepark Arrach.
Allerlei Trubel. Viele Läufer und Zuschauer, Trachtler mit Büchsen und die heutzutage obligatorische Drohne in der Luft.
Ich stelle mich ganz hinten ins Feld und treffe noch viele die gestern noch nicht da waren. Thomas erkläre ich spontan für verrückt als er meint das es das erste Wochenende seit einigen Wochen ist, an dem die Kilometerzahl mal „nur zweistellig ist“. Aber wenn es ihn glücklich macht, why not!
Mit einem lauten Donnern der Büchsen werden wir um 8 Uhr auf die Strecke des „König vom Bayerwald“ geschickt. 52km mit 2700 Höhenmetern liegen vor uns.
Die erste Bewährungsprobe – CutOff am Eck
Auch wenn Markus Mingo am Vorabend beim Briefing etwas hochnäsig meint man könne in 90 Minuten aufs Eck wandern und den CutOff schaffen … nein, kann man nicht. Zumindest wäre es kein wandern. Der erste CutOff war bereits im letzten Jahr verdammt eng. Und so recht will es mir nicht einleuchten warum diese Hetzerei am Anfang eines UltraTrail sein muss.
Aber ich bin am Start und muss damit Leben. Also Füße in die Hand und los.
Im Pulk geht es um den See und dann auf Wiesen entlang des Tals bis zum ersten Anstieg. Im letzten Jahr hatte ich den Stock dabei. Dieses Jahr habe ich darauf verzichtet. Zu wenige richtig lange Anstiege und den Rest der Zeit nervt er nur.
Es ist sehr schwül und die Temperatur bereits hoch. Die flachen zwei Kilometer reichen und ich bin komplett durchgeschwitzt. Ich zutsche an meiner Trinkblase.
Baaahhhhhhhhhhhhhh
Was bin ich doch für eine Schlampe. Da ist noch der Gummibärensaft von Madeira drin. Und er schmeckt noch genauso wie vor drei Wochen. Jetzt weiß ich auch warum nicht soviel Wasser in die Blase passte. Etwas angewidert laufe ich weiter und reihe mich in die Schlange ein. Es geht bereits auf den Trail den Berghoch. Rennen bzw. eigenes Tempo geht nicht. Zu viele Läufer. Auch das wurde wohl beim CutOff nicht bedacht.
Es dauert etliche (Höhen)meter bis sich das Feld auseinander zieht und ich die Chance auf mein eigenes Tempo habe. Jetzt geht es voran. Der Schweiß schiesst nur so aus den Poren und immer wieder muss ich etwas trinken um nicht direkt nach dem Start schon wegen Dehydrierung aussteigen zu müssen. Der Bayerwald ist wunderschön grün. Die Gegend ist ein Traum und läuft sich sanft. Auch die gelegentlichen Forstwege stören nicht, sondern bieten die Möglichkeit etwas Tempo zu machen um pünktlich am Eck zu sein.
Andrea, Lisa, Maty und Ulf sind immer in der Nähe und ich fühle mich nicht so alleine. Denn wenn sie noch hier sind, dann klappt es irgendwie mit der Zeit.
09:15. Im letzten Jahr war ich jetzt am Eck. Doch heute? Noch nichts zu sehen. Leichte Panik beginnt im Kopf und ih sehe mich schon zurück ins Ziel fahren – Mit dem Shuttle.
Ich biege auf eine Forststraße ein und es kommt mir bekannt vor. Jetzt ist es nicht mehr weit.
Von Weitem sehe ich viele Zuschauer und den Verpflegungsstand. Es ist 9:22 Uhr. Acht Minuten vor dem CutOff. Und nein, ich habe nicht getrödelt!
Wasser und Bananen
Das erste Wasser schütte ich über den Kopf und es dampft. Dann frage ich noch Iso. „Iso ist alle!“
???
Etwas ungläubig schaue ich den Herren an. Wie Iso ist alle? Es gibt nur noch Wasser und so ein veganes milchiges Zeug. Unklar wer so etwas bei einem Rennen trinkt ohne danach k**** zu müssen. Dann halt Wasser. 15 Kilometer in der Sonne mit vielen Höhenmetern bis zum Arber nur mit Wasser. Ein Glück vermischt es sich mit dem Rest Madeira-Iso und ich habe Salztabletten dabei.
Essen? Es gibt noch Bananen und Apfelstücke. Das ausgelobte PowerBar – auch schon alle. Gut das ich immer mein eigenes Zeug dabei habe. Trotzdem sehr schlecht das es das nicht gibt.
Jetzt geht es bis zum Großen Arber auf dem Goldsteig. Einem der schönsten Premiumwanderwege Deutschlands. Beim ersten Anstieg werfe ich mir eine Salztablette ein. Bei meiner Schwitzerei weiß ich genau das bald alles draußen ist.
Ich komme gut voran und die Trails sind wieder ein Traum. Im letzten Jahr haben wir fast nichts gesehen und es regnete die ganze Zeit. Regen wünschte ich mir jetzt auch. Denn es wird immer wärmer.
Maty, Lia, Andrea und Ulf habe ich hinter mir gelassen. Downhill lasse ich es einfach laufen. Die nicht einfachen Wege machen unheimlich Spaß. Wurzeln, Steine, Schlamm … und von oben muss ich auf Äste achten.
Trotzdem spukt mir die Sache mit dem fehlenden Iso immer wieder im Kopf rum. Das darf nicht passieren und bei der Wärme ist es ein ganz übler Punkt. Trotzdem bringt es mich auch nicht weiter. Ich fange an zu singen. Mein Ohrwurm nimmt Fahrt auf und ich auch. Es läuft gut und ich schaue mir die Landschaft an. Ein Schild kündigt den Großen Arber in 8.6 Kilometer an. Das ist noch ein Stück und ich weiß das es noch ein paar Mal hoch und runter geht.
Der Hammer(mann)
Auf einem offenen Stück prasselt die Sonne auf mich ein. Kein Lüftchen. Warm. Der Stecker ist draußen. Ich setze mich hin, starre in die Weite, trinke das Wasser und esse Drops. Widerlich süß, doch es hilft.
Nur noch langsam komme ich voran. Der Mann mit dem Hammer? Vermutlich. Er schlägt auf mich ein. Seit dem Madeira Island Ultra Trail bin ich nur zwei Mal richtig gelaufen und dann war ich noch ein paar Tage leicht erkältet. Hätte ich schlau wie der Fuchs (Jörn) sein sollen und auf die kleine Distanz des UTLW, dem Osser Riesen, wechseln sollen?
Nein, ganz oder gar nicht. Der Ohrwurm wird schneller und ich bleibe langsam. Nacheinander überholen mich Maty und Ulf, Andrea und dann auch noch Lisa. Auch Matt zieht nun an mir vorbei und verschwindet hinter einer Kuppe. Das offene Gelände ist grausam. Zwar sind Wolken aufgezogen, doch die Sonne strahlt hindurch. Drückend und unerbärmlich.
Würde nicht jeder der ich überholt fragen ob es mir gut geht, danke für eure Fürsorge!, wäre es ein schöner Platz zur Meditation. Schneidersitz auf den Baumstumpf und auf den Blitzeinschlag warten.
Doch im Schneidersitz würde ich den Krampf in den Beinen nicht aushalten. Er ist noch leicht, aber spürbar.
Die nächste Salztablette will nur schwer geschluckt werden. Mit jedem Schluck Wasser spüre ich das Verlangen nach etwas anderem. Das Kristalline des Salzes nimmt mein Körper nur teilweise auf. Ich erinnere mich an das Teilstück des MIUT vor drei Wochen von Curral das Freiras zum Pico Ruivo. Da war es genauso. Kaum etwas zu trinken, heiß und
TTAAATTTÜÜÜÜÜÜTTTAAATTTAAAAAA
Es reißt mich aus meinen Gedanken und erschrocken schaue ich nach rechts wo sich ein 4×4 Jeep der Bergrettung durch das Gebüsch kämpft. Ein Bild wie aus Crocodile Dundee. Irgendwo wurde Hilfe gerufen. Doch wir wissen nicht wo. Also laufen wir weiter. Auf dem Hügel sehen wir dann eine Gruppe und einen älteren Wanderer der starke Probleme hat. Hitzschlag oder sogar Schlimmeres. Zwei Einsatzkräfte sind bereits da und wir können passieren. „Alles Gute!“
Es ist wohl sein Glückstag das der Ultra Trail Lamer Winkel an diesem Tag ist und die Bergrettung so nah.
Das Erlebnis hat mich aufgeweckt. Hellwach und doch im Arsch renne ich hinunter. Der nächste Anstieg geht zum Kleinen Arber bevor es noch mal runter geht und entgültig zum höchsten Punkt hinauf.
Sollte ich aufgeben bevor es mich hinrafft? Beim Anstieg zum Kleinen Arber drehen sich meine Gedanken nur noch um DNF, Rückfahrt nach Lam, Bier, Essen, Cola. Ich male mir alle Szenarien aus. Die Stimmen Anderer interessieren mich wenig. Immerhin habe ich es gestartet. Doch mir tut es weh. Auch die Situation mit dem Wasser bzw. Iso fliesst in die Gedanken ein. Am Arber wird es Iso geben und dann sollte ich es auf jeden Fall versuchen. Sechs Kilometer Downhill und dann noch einiges hoch zum CutOff sollten machbar sein. In diesem Fall sogar wandernd.
Der Aufstieg zum Gipfel ist hart. Im Wald liegen noch Schneereste. Kurz überlege ich hin zu gehen und mich mit Schnee zu ummanteln. Rein in die Socken, Shirts, Hose ,…. Doch auch für die fünf Extrameter bin ich gerade zu platt.
Auf dem Gipfel werde ich freundlich begrüßt und setze mich erstmal hin. Groß, dunkel und bedrohlich wirkt der nahe Große Arber gegenüber. Doch ins Tal und wieder rauf, das dauert noch.
Eine kurze Rast dann laufe ich den Downhill zur Chamer Hütte. Wie eine Oase kommt mir der Brunnen vor dem Haus vor. Ich mache alles nass was ich habe. Kühle meinen Kopf, tränke die Buffs. Auf den nächsten Metern geht es mir blendend. Doch dann schlägt die Wärme wieder durch. Nun verstärkt durch die Abkühlung. Ich finde ein Cola-Gel im Rucksack und muss im Schatten sitzen. Es schmeckt übel. Aber das Coffein hilft mir auf.
Die Mittagssonne prasselt ungehindert auf uns ein. Auf der Forststraße zum Gipfel des Arber gibt es keinen Schatten und meine Gedanken stechen im Kopf. DNF? Nicht mehr weit. Du schaffst es. Bald gibt es Iso. Nur nicht umkippen. Eigentlich klappt es ja gerade ganz gut. Den Downhill machst du locker.
Eine letzte Kurve. Von hier habe ich einen tollen Ausblick über die Strecke. Das was war und das was noch kommt. Der Goldsteig, Lam, Lohberg, Osser Riese.
Vorbei an den Kuppeln der Sendestationen und dem Gipfelkreuz. Unmengen Touristen sind hier. Klar, hier fährt die Seilbahn.
Kurz nach dem Gipfel des Großen Arber sehe ich Matt wieder und kann ihn überholen. Er hat all seine Wasservorräte aufgebraucht und hat Durst. Es ist nicht mehr weit bis zur Verpflegungsstation an der Seilbahn.
Im Downhill kündigt sich der nächste Krampf in den Beinen an. Das Wasser hat meinen Körper durchgespült und der Schweiß alle Mineralien nach draußen befördert. Hoffentlich gibt es Iso.
Wir schlängeln uns durch die Touristenströme runter zur Station. Ein großer Behälter steht dort: „Iso“.
Aber er ist leer.
Wir fragen nach, doch es ist alle und es gibt auch nichts mehr. Eine Welt bricht zusammen. 15 Kilometer habe ich darauf gehofft, davon geträumt. Doch nein, keine Erfüllung.
Kurz stösst es mir böse hoch und meine Wut entlädt sich wie so etwas passieren kann. Doch die Helfer können nichts dafür.
Eine der Helferinnen gibt mir ihre eigene Flasche mit Cola-Mix. Ich bin unfassbar Dankbar über diese Geste. Sie ist meine Heldin. Ich bin glücklich für den Moment.
Wir teilen uns zu viert die kleine Flasche. Den Rest Zucker versuche ich mit Tee zu mir zu nehmen.
Stehen geht gerade nicht nicht. In der Hocke kündigen sich weitere Krämpfe an. Die Gedanken an den Rennabbruch sind groß. Mit der Seilbahn ins Tal und dann irgendwie zurück nach Lam. Das wäre gemütlich und die Wasserschlacht hätte eine Ende, mit kaltem Bier.
DNF? Abbruch? Es sind noch 25 Kilometer und über 1.000 Höhenmeter ins Ziel. Die schwül-warme Luft ist immer noch erstickend.
DNF?
Noch 2,5 Stunden für 11 Kilometer. Das sollte machbar sein. Meine Uhr hatte ich nach der ersten Verpflegungsstation in den Rucksack gesteckt und sollte mal „ohne Druck“ laufen. Jetzt hatte ich den Druck doch wieder. Die Uhr aber sollte im Rucksack bleiben.
Wenn ich es innerhalb der Zeit bis VP3, Scheiben, schaffe, dann ist alles gut. Wenn nicht, dann werde ich eh rausgenommen. Und wenn es dort wieder kein Iso gibt, dann gehe ich definitiv raus da es gefährlich wird.
Auf einem breiten Weg und unspektakulär geht es hinunter. Das Bergab-laufen geht gut und ich komme voran. Doch mit jedem Höhenmeter ins Tal steigt auch die Temperatur immer weiter. Es ist inzwischen über 25 Grad und in der Sonne bei null Wind dreht es mir. Meine Drops liefern Energie, aber ein CoolPack wäre jetzt besser. Ich schwitze zum Glück noch. Sorgen machte ich mir nur am Goldsteig als ich nicht mehr schwitzte.
In der Talsohle ist die Hitze extrem drückend. Noch vier Kilometer bis zur Scheiben. Ich schaue nicht auf die Uhr. Wird schon klappen.
Im Wald hat es Schatten, doch die Wärme steht. Mir dröhnt der Kopf. Leider nicht vom Ohrwurm. Ich muss mich wieder auf einen Baumstamm setzen und sehe von hinten Lisa kommen. Ich lüge sie an das es mir gut geht und lasse sie ziehen. Ich will meine Ruhe.
Sitzenbleiben bringt nichts. Langsam geht es auf dem schmalen Pfad steil hoch. Und endlich, ein kühles Lüftchen.
In der Ferne höre ich es donnern und auch die Wolken sind dunkler geworden. Vielleicht habe ich Glück und es regnet. Das würde helfen.
Doch es regnet nicht. Auf dem Forstweg hinauf zur Scheiben sehe ich noch mal zum Großen Arber hinüber. Da war ich vor einiger Zeit. Wie spät wird es gerade sein? Ich schaue nicht auf die Uhr.
Noch ein Kilometer. Auf dem Weg sitzt einer der Fotografen und zielt auf mich. Doch nein, jetzt laufe ich nicht mehr. Bis zur Scheiben ist Wandertag.
Im Vorbeigehen frage ich nach der Zeit: 14:40 Uhr. Dann bin ich 20 Minuten vor dem CutOff und kann es gelassen angehen. Meine Entscheidung steht fest: Gibt es wieder nur Wasser steige ich aus!
Oh du Gott der Getränkevielfalt!
Es gibt alles! Iso, Cola, Wasser, Tee. Schlarafenland. Auch das Essen ist mit einer Variation vorhanden, hier könnte ich länger bleiben.
Mit jedem Becher Cola, unzählig trifft es ganz gut, geht es mir besser. Die Salzbrezeln und der Kuchen tun sein übriges. Auch die Lust auf den 17 Kilometer langen Zieleinlauf kommt wieder. Zu gespannt bin ich auf den Tromsø-Trail. Die Trinkblase leere ich und fülle sie randvoll mit Iso. Endlich. Das muss gefeiert werden.
Lisa und ich starten gemeinsam und werden von einem Streckenposten informiert das wir die Forststraße entlang laufen müssen. Zwercheck ist zu gefährlich wegen des Gewitters.
Ehrlich? Ganz unglücklich sind wir damit nicht! Vier Kilometer und 250 Höhenmeter gespart. Die Strecke kennen wir ja vom letzten Jahr. Ein extrem wurzliger Aufstieg, über ein offenes Hochmoor und wieder runter. Heute also direkt rüber.
Straff gehend und die Abstiege laufend bin ich zusammen mit einer Frau unterwegs (Namen leider vergessen). Lisa musste abreissen lassen.
Wir scherzen das ihr Mann, den sie am Goldsteig hat ziehen lassen, oben rüber muss und wir ihn nun wohl überholen und er wieder hinter ihr ist.
Hase und Igel
Ganz abwegig ist der Gedanke nicht. Vor uns kommen einige Läufer von rechts den Downhill vom Zwercheck. Auch Olga und Hansi. Und die waren weit vor mir. Durch die Streckenkürzung haben wir ca. 45 Minuten gut gemacht. Heißt, Maty und Ulf sind nun auch wieder hinter mir.
Heute bin ich also der Igel.
Lange, sehr lange geht es entlang der Forststraße. Oben auf dem Kamm darf man leider nicht entlang da dort der Auerhahn wohnt. Okay, ich mag es ja auch nicht wenn man mir durch die Wohnung rennt.
Wir beide sind nun gespannt ob wir hoch zum Osser Riesen dürfen oder auch dort die Strecke gesperrt ist. Nach vier Kilometern schickt uns ein gut gelaunter „Viel Spaß!“ Streckenposten zum Osser hoch.
Der letzte Anstieg bevor es in einem mörderischen Downhill Richtung Ziel geht.
Mir geht es wieder besser und ich merke wie gut das Iso und die Cola tut. Auf dem Weg zum Gipfel kann ich meinen Rhythmus finden und wir gehen jeder unseren eigenen Schritt.
Endlich kommt auch die sehnsüchtig erwartete Abkühlung. Dicke Regentropfen prasseln vom Himmel hinunter. Das tut so gut. Mit einem Lächeln und einem Song auf den Lippen fliege ich den Berg hoch. Das dies noch geht hätte ich vor einigen Stunden nicht gedacht.
Für den Ausblick vom Gipfel habe ich jetzt keinen Blick.
- Genug Ausblicke für heute
- Es gibt gleich Bier
- Da vorne wartet ein endgenialer Downhill auf mich
- Das Ziel ist nicht mehr weit
Die Verpflegung am Osser Riesen setzt noch eine Schippe auf die Sache mit dem Iso: Es gibt Bier! Mit!
Drei Becher und ich wanke weiter. Nach der Anstrengung wirkt es super (schnell). Doch fix ist es verteilt und ich wieder voll da. Auch weil jetzt die technischsten Abschnitte folgen.
Beim Downhill zur Osser Wiese mache ich Platz um Platz gut. Es ist rutschig und die Wurzeln und Felsen machen uns Läufern das Leben nicht einfach. Doch meine langen Beine helfen und ich kann locker hin und her hüpfen.
Das Lächeln ist wieder da!
Nach der Osser Wiese geht es in den Wald auf den „Worst-Case-Trail“. Lost in Translation, zumindest verstehe ich es nicht. Ich werfe mich den Berg hinunter und fühle mich in meine Zeit als Orientierungsläufer zurück versetzt. Quer durch den Wald senkrecht runter. Sehr geil.
Ich schiesse an ein paar Leuten vorbei die mir viel Spaß wünschen. Danke! Und jetzt beginnt der Tromsø-Trail.
Warum er so genannt wird? Technisch. Ausgesetzt. Klettern.
Direkt am Einstieg gibt es eine kurze Seilpassage. Kein Problem. Auch Einarmig schaffe ich das Stück gut. Widerum helfen mir die langen Beine dank derer ich nur zwei große Schritte benötige.
Das zweite schwierige Stück ist böser. Einerseits geht es links gute 10 Meter runter und andererseits ist das Seil für mich auf der falschen Seite. Der Helfer, danke!, bietet Optionen an. Aber auch die sind nicht besser.
Kurze Analyse. Trittprobe. Anlauf. Hand ins Seil. Schritt, Tritt. Geschafft!
Ja, ich bin stolz das geschafft zu haben auch wenn die meisten über dieses Stück eher lachen. Und im Vergleich zu Tromsø war das ein Klacks.
Der Trail führt jetzt weiter durchs Unterholz. Ich bin fertig und müde. Aber ich kann nicht anders als rennen. Es macht zuviel Spaß. Vielleicht sollte ich nächstes Jahr nur den Kurzen laufen. Nur wegen des Spaß-Teils.
An der Kirche werden wir ausgespuckt und landen direkt auf dem „Holy-Trail“. Das war letztes Jahr mein Highlight. Dieses Jahr in Verbindung mit dem Tromsø-Trail ein Streckenabschnitt wie für mich geschaffen.
Atemlos durch den Wald.
Ich merke wie ich mich auf das Ziel freue. Es ist nicht mehr weit. Noch ein Stück quer und dann geht es am Berg steil talwärts.
Vor mir öffnet sich die Wiese von der man bereits das Ziel hört und die Kirche sieht. Bis dorthin muss ich noch.
Gedanken fliegen durch den Kopf. Die Strecke Revue passierend. Es war wieder schön. Trotz Kampf und Krampf. Die Fehler an den Verpflegungen werden nächstes Jahr nicht noch mal sein. Da bin ich mir sicher.
Während ich in Gedanken bin und über die Wiese Richtung Lam laufe stolpere ich und verkrampfe. Verdammt. So kurz vor dem Ziel. Irgendwie geht es. Aber es schmerzt. Schütteln hilft. Nicht stehen bleiben auch. Nur nicht so verkrampft schauen. Zieleinlauf!
Über die Hauptstraße biege ich auf die Zielgerade ein. Leider ist gerade Siegerehrung und es stehen nicht viele Zuschauer am Rand. Aber die die dastehen klatschen und jubeln. Ich bin glücklich darüber und freue mich. Ich versuche zu lächeln und mih zu bedanken. Doch es geht nicht mehr viel.
9:42h – die Uhr bleibt für mich stehen. Die Zeit ist egal. Geschafft. Ich sinke nieder, bekomme meine Medaille umgehängt und Nadine und Carsten sind so lieb und besorgen mir Bier und Cola. Danke!
Im Glitter liegend komme ich runter. Ich hätte mir nie verziehen aufzugeben. So schlimm war es dann doch nicht.
Die Hasen kommen
Wie vermutet kommen einige Zeit, und Biere, später viele der Läufer ins Ziel die oben über das Zwercheck mussten. Auch Maty und Ulf. Etwas verdutzt und erstaunt sehen sie mich an bevor ich die Sache aufkläre. Hase und Igel.
DANKE
Vor allen Danksagungen möchte ich mich ausdrücklich beim Team der Verpflegung am Großen Arber bedanken! Danke für eure Fürsorge und das ihr uns eure Flaschen mit ColaMix etc. gegeben habt. Ich weiß nicht ob ich weiter gemacht hätte.
IHR SEID DIE BESTEN!!!
Danke natürlich auch an alle Anderen die dieses Event ermöglicht haben. Allen voran den ehrenamtlichen Helfern, Bergwacht, Orga usw.
Neben der Lobhudelei aber gerne noch ein paar Gedanken die helfen sollen das Event noch besser zu machen bzw. Sachen die einfach schief gegangen sind:
- Iso und Essen müssen bis zum letzten Läufer ausreichend vorhanden sein. (Wenn vorher angekündigt das es das gibt.)
- Siegerehrung kann auch 19Uhr bei Zielschluß starten. Dann ist es für alle Läufer ein toller Moment ins Ziel zu kommen und nicht nur eine Nebensache
- Shuttle von Lam nach Arrach in der früh anbieten. Ist sinnvoller und weniger hin und her.
- CutOff zum Eck überdenken. Es ist ein Krampf und bei einem Ultra unnötig. Und nein, es ist nicht wanderbar.
- Eine Bergwertung nach 9 Kilometern bei einem Ultra ist eher unsinnig. Aber natürlich lockt es Zuschauer. Daher okay. Aber dann vielleicht auch Frauen- und Männer-Wertung
Weitere Berichte zum UTLW – Ultra Trail Lamer Winkel:
- Erlebnisbericht von Steve (uptothetop)
- Albert Egerer „Mein erstes DNF“
- Bernie „Vom WorstCase zum HolyTrail“ auf trailrunning.de
- Martin Mühlbauer Team Gansbock
- Jochen Maurer Team Gamsbock
- Lena von trampelpfadlauf.de
- YogaPS Grenzerfahrung auf dem Trail
- Tina Fischl via ASICS Frontrunner
- Der Fox zum Osser Riese
- Fahnie zu ihrem ersten Trail Osser Riese
- Back to the Roots von rose.fm
- Runnersworld
- Bericht TrailBlog
Meinungen & Diskussion
Ich freue mich auf rege Diskussionen und vor allem deine Meinung.
Bitte beachte und akzeptiere vor dem Schreiben deiner
Meinung/ Kommentar bitte die Datenschutzerklärung.
Stark durchgebissen – nochmals Glückwunsch zum Schweinehundvernichten!
Danke. Und Glückwunsch zur Sub 3h!
Super Bericht!
Danke Christian. Schade das du Abends schon weg warst.
Bis demnächst mal wieder.
Hallo Robert,
Gratulation zum Durchbeissen!
Super Bericht und wie immer schöne Bilder
Eigentlich dachte ich immer wenn du noch in der Nähe bist wird der Cut off nicht soo knapp ;)
Danke. Aber diesmal war es schon recht knapp und ohne Uhr auch“riskant“ mir zu vertrauen ;-)
Klasse Bericht. Habe mit Dir mitgefiebert. Die Fotos gefallen mir sehr gut. Mit welcher Kamera/Handy hast Du fotografiert? Ich selber lief den „Osser-Riese“ und würde mich freuen, wenn mein Bericht in Deiner Linksammlung aufgeführt wird, http://fahnie.de/mein-erstes-trailevent-begeisterung-ja-kraft-nein/
Danke Fahnie. Deine Artikel werde ich natürlich noch ergänzen.
Bezüglich Kamera schaue mal unter http://VitaminBerge.de/das-perfekte-trailrunning-foto-teil-ii-equipment/
Sauber gekämpft Robert…saustark!
Ich glaube das Iso war Anfangs etwas stark dosiert; so zumindest mein Empfinden. Eventuell lag es daran, aber passieren darf es trotzdem nicht, da gebe ich dir Recht.
Erhol dich gut und dann sehen wir uns demnächst wieder irgendwo auf den Trails…mit oder ohne Königssee
Viele Grüße aus Cortina
Steve
P.S.: Danke für den Link
Ebenso saustark Herr Steve :-)
Habe ich jetzt öfters gehört mit der Dosierung. Na dann wird es nächstes Jahr besser. Wäre doch auch doof gewesen ich hätte nichts zu schreiben gehabt weil es perfekt lief!
Erholung kommt, und die zugspitze auch.
Königsee ist im Hirn gespeichert und lodert.
stark! gut gemacht und danke fuer die grossartigen bilder! Ich habe irgendwann keine lust mehr gehabt, zu fotografieren, oder ehrlicher gesagt, keine kraft :D meinen bericht dazu hast du ja auch gelesen, danke fuer aufnehmen :)
lieben gruss
sabine
Danke Sabine. Keine Kraft, aber keine Lust, darf man auch ab und zu haben. Ein Ultra ist halt dann doch was anderes als der Sonntags-Spaziergang.
Vielen Dank für Deinen tollen Bericht und mein größter Respekt für dein Durchbeissen!Herzlichen Glückwunsch zum hart erkämpften Finish :-)
Liebe Grüße Simone
Danke Simone. Bin gespannt wie es dann bei euch läuft an der Zugspitze. Viel Erfolg schonmal, aber sehen uns bestimmt.
Hallo Robert !
Ich habe Deinen tollen Bericht gelesen.
Was ist DNF ?
Gruß Vater
Hallo Väterchen,
DNF heißt: Did not Finish.
Also: ist nicht ins Ziel gekommen. Hat aufgegeben ö.ä.