Rubihorn solo, for free – von ganz unten, ganz hoch

Rubihorn solo, for free – von ganz unten, ganz hoch

5. Dezember 2014

Du kannst jammern oder etwas dagegen tun! Kopfkino gegen ganz großes Bergkino getauscht. Mit wahnsinnigen Ausblicken aufs Rubihorn… und wieder runter.

Wolkenmeer über Oberstdorf im Allgäu

Wolkenmeer über Oberstdorf im Allgäu

Der Winter am Bodensee ist nicht schön. Grau, Nebel, selten lässt sich die Sonne blicken und dann ist es aber auch schon wieder dunkel. Da hilft ab und zu die Flucht in die Berge. Sonne tanken und den Horizont sehen.

Diese Woche war anstrengend. Vorallem für den Kopf. Die Scheidung ist nun durch und mein Kopf auch. Zu Hause wäre mir die Decke auf den Schädel geknallt, also ins Auto und auf nach Oberstdorf. Die Webcam verspricht gutes Wetter auf dem Berg. Voller Optimismus habe ich sogar die Schneeschuhe eingepackt. (nein, Schnee gab es natürlich keinen)

Die graue Suppe und die Nacht verfolgt mich bis zum Hotel. Diesmal habe ich mir ein Zimmer außerhalb vom Dorf reserviert. Im Explorer Hotel. Warum? Weil ich keinen Urlaub habe bzw. es sich nicht klären ließ ob es geht. Aber arbeiten war nur teilweise möglich, krankschreiben muss nicht sein und dank dem WLAN im Hotel kann ich wunderbar die Aufgaben und Termine trotzdem machen.

Am Abend mit Flo das ein oder andere Bier vernichtet und den Donnerstag morgen gearbeitet. Es ist kurz nach Mittag und ich muss raus. Sachen umgepackt, Webcam gecheckt und raus auf den Berg. Bis zur Seealpe ist Nebel und es ist nass. Immer wieder rutsche ich aus auf dem schmalen Pfad quer durch den Wald. Talwärts werde ich die Straße nehmen. An den Serpentinen lichtet sich die Wolken und es wird schlagartig sonnig und mild. Der Schweiß tropft und ich komme immer weiter in Richtung Niedereck. Die ersten Seilpassagen habe ich schon alleine gemeistert, aber ab der Hälfte auf dem Grat war ich bisher nur mit Flo unterwegs. Heute bin ich auf mich alleine gestellt und relativ müde.

Wolkenmeer über Oberstdorf im Allgäu

Wolkenmeer über Oberstdorf im Allgäu

Es gibt für mich drei Schlüsselstellen an denen es für mich schwierig ist da das Seil auf der „falschen“ Seite ist bzw. ich das Gleichgewicht gut verlagern muss um nicht rückwärts zu kippen. Einarmig ist es dann doch etwas komplizierter. An der letzten Stelle überlege ich lange ob ich es mache. Aber so kurz vor dem Gipfel? Langsam und vorausschauend mit festem Tritt schaffe ich es. Eine Herde Gämsen beäugelt mich. „Lacht mich nur aus ihr Angeber!“, denke ich mir.

Wolkenmeer über Oberstdorf im Allgäu

Wolkenmeer über Oberstdorf im Allgäu

Geschafft! Ich bin am Gipfel. Alleine. Über dem Wolkenmeer bietet sich in der Abendsonne ein Panorama bis zum Grünten und Säntis. Das Nebelhorn ist klar und ich befürchte das ich Sonnencreme auftragen hätte sollen. Viele Fotos später und den Kopf frei geatmet breche ich gen Tal auf.

Rubihorn Gipfel

Rubihorn Gipfel

Gipfelkreuz Rubihorn

Gipfelkreuz Rubihorn

Bald wird es dunkel und ich habe noch die schwierigste Stelle vor mir. Auf dem Hinweg kein Problem. Auf dem Rückweg, uffff. Fünf Minuten später stehe ich vor dem Felsen neben dem Abgrund. Die Sicherung ist rechts und hört zu früh auf. Oben habe ich keinen Griff und ich muss nach rechts. Links ginge zum Halten, rechts ist mein Handicap. Ich nehme den Rucksack ab und werfe ihn hoch. Kurzes prüfen ob alle Steine fest sitzen, rechten Fuß aufsetzen, Schwung holen und hoch. Mit dem linken Bein schwinge ich über die Kante und ich lande unsanft auf der oberen Kante. Geschafft! Nach einem kurzen Jammern weil ich mit dem Knie auf einen Stein aufgeschlagen bin stehe ich auf und schreie ein lautes „Yessssss“ in das Wolkenmeer hinunter.

Seil versicherte Stelle kurz vor dem Gipfel

Seil versicherte Stelle kurz vor dem Gipfel

Ab jetzt ist der Weg nicht mehr schwierig. Zwar muss ich aufpassen, aber zügig laufe ich zurück nach Oberstdorf. Im Tal angekommen ist es bereits dunkel. Perfektes Timing.

Es war die beste Entscheidung in die Berge zu fahren, den Kopf frei zu laufen und den Nebel zu durchbrechen. Inzwischen kann ich wieder etwas klarer denken und schaue was mir die Zukunft bringen wird.

Nebelhorn Gipfel in der Abendsonne

Nebelhorn Gipfel in der Abendsonne

Für dich sind ein paar imposante Impressionen entstanden und ich möchte dir einen Ausspruch mit auf den Weg geben welcher mich über Monate begleitet und immer wieder aufgebaut hat:

„Egal was für Scheiße passiert, für irgendetwas ist es gut! (auch wenn du es noch nicht siehst)“

P.S.: ich muss forschen und googlen, aber es könnte sein das ich in 2014 der Letzte auf dem Gipfel war (schneefrei). Hat auch was für sich.

Hattest du auch schonmal ein solches Wolkenmeer unter dir?

Meinungen & Diskussion

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  1. Mandy sagt:

    Wow, das sieht natürlich traumhaft aus! Bestes Ambiente um den Kopf frei zu bekommen.

    1. Robert sagt:

      Da sagst du was. Hier in köln kann ich nur von den Bergen träumen. Oder die Bilder ansehen.
      Bei Schnee geht es mit den Schneeschuhen oder Grödeln hoch!

  2. Steve sagt:

    Yeah Robert…krasse Scheiße Mann! Könnte es besser sein? Könnte es besser sein? Ich behaupte…Nein!

    Danke für diesen offenen Bericht und die abgefahrenen Bilder über den Wolken.

    Hier ist die Freiheit grenzenlos!

    Viele Grüße aus Bad Reichenhall

    Steve

    1. Robert sagt:

      Ich denke auch, lieber Steve, das Berge meditativ heilend und Kopf entlastend sein können.
      Aber kennst du Nacktrenner ja auch :-)

      Grüße nach BR
      Robert

  3. Fred Toplak sagt:

    Danke für deinen emotionalen Bericht. Ich kann das alles sehr gut nachvollziehen und behaupte mal frech, wir ticken da schon ähnlich. Das Leben hat nun mal viele Tiefen und Höhen für uns vorgesehen. Und ja, erst später – manchmal viel später, ahnst du wo für die Scheiße gut war. Ich kann mich leider nie kurz fassen und versuche jetzt nicht ins Detail zu gehen. „Wir“ wissen wovon „wir“ reden. Leider bin ich Flachlandbewohner und wenn auch nich dort aufgewachsen, vermisse ich jeden verdammten Tag die Berge und deren Möglichkeiten. Hattest du auch schon mal Wolken unter dir ?? – JA –
    und das ist ein befreiendes Gefühl, sich selber, alleine dort hinzubringen. In der Nacht vom 28 auf den 19. Oktober 2014 war es das letzte mal für dieses Jahr (?).
    Um Mitternacht im Süden von Teneriffa gestartet – knapp 7 Stunden später hoch oben am Fuße des Tiede, schob die rote Sonnen sich als Kranz um die geschlossene Wolkendecke, die tief unter mir die vulkanischen Erhebungen einfasste wie ein Wattemeer ein. Ich hielt innen und betrachtete das Naturschauspiel auf meine Weise schweigend. Mein Herz wurde warm, der Magen kribbelt und die Augen wurden… ich machte mich weiter auf meinen Weg zur Nordküste. Ein paar Sorgen ließ ich dort achtlos liegen.
    Ich wünsche dir und all denen die wissen was „wir“ meinen, ein gutes 2015 und dadrüber hinaus. Der Fred

    1. Robert sagt:

      Das ist wirklich ausführlich Fred. Danke!
      Und keine Berge… wenn die Sehnsucht zu groß wird ist keine Strecke zu weit.

  4. Sabrina sagt:

    Hi Robert,

    es klingt abgedroschen, aber es wird alles gut und die Dinge kommen, wie sie eben kommen sollen! Ein schöner Bericht ist das und sehr tolle Bilder – da leuchtet mein Bergsteigerherz! :)

    Also, Kopf hoch und keep on trailrunning!

    LG Sabrina

    1. Robert sagt:

      Hi Sabrina,
      Danke und ja, alles wird sich fügen. Jetzt kann ich schließlich auch mal nach Österreich kommen und euch belästigen :-)

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