Dreimal hintereinander das gleiche Rennen. Das ist doch öde. Sollte man zumindest meinen. Nicht so aber beim Madeira Island Ultra Trail. 2015 wird mein drittes Jahr in Folge. Jedes Mal auf dem T40. Die Strecken sind immer etwas unterschiedlich, das Wetter unberechenbar, die Trails erbarmungslos.
Prolog
Oktober 2014 – Die Frage war nicht ob oder wann, sondern wie schnell ich mich anmelden kann. Madeira, ich und der MIUT, das muss sein. Die Bezahlung ist bestätigt und ich stehe mit Startnummer 1004 auf der Startliste. Gibt es etwas Schöneres? (Ja, Startnummer 1000)
Dreimal hintereinander das gleiche Rennen. Das ist doch öde. Sollte man zumindest meinen. Nicht so aber beim Madeira Island Ultra Trail. 2015 wird mein drittes Jahr in Folge. Jedes Mal auf dem T40. Die Strecken sind immer etwas unterschiedlich, das Wetter unberechenbar, die Trails erbarmungslos.
Gespannt auf das was mich erwarten wird zähle ich die Monate und Tage rückwärts. Am 8. April bin ich wieder reif für die Insel.
Oh wie schön wär Caracas – noch 6 Tage
Die Mischung aus Techno, Pop und MainStream-Musik nervt. Seit kurz vor Mitternacht suche ich nun eine Schlafmöglichkeit am Zürcher Flughafen. Wie in der Provinz. Nichts hat offen. Immerhin funktioniert der Getränkeautomat und ich habe etwas gegen den Durst.
Das Licht ist abgedunkelt und aus den Ecken schnarcht und röchelt es. Ich bin nicht der Einzige der sich über eine offene Bar oder Restaurant gefreut hätte. Irgendwie muss ich die vier Stunden bis zum Check-In überstehen. Einzig der Gedanke bereits zum Mittag auf Madeira zu sein lässt mich an der Entscheidung den frühen Flug zu nehmen nicht zweifeln. Die Nacht am Flughafen liess sich durch die Bahn-Fahrpläne nicht vermeiden. Ein bisschen Abenteuer – passt.
Yogierend in den Schlaf
Bis um ein Uhr wird mir per Facebook und WhatsApp noch Gesellschaft geleistet. Jetzt aber wird es im SocialMedia ruhig – und mir langweilig. In allen erdenklichen Positionen versuche ich etwas zu schlafen. Es dauert. Am Ende sitze ich im Schneidersitz, vorne übergebeugt mit den Armen verschränkt. Und schlafe ein.
Ein unruhiger Schlaf. Die Musik raubt mir immer noch die Nerven. Mein Nacken ist inzwischen eine Großbaustelle für Chiropraktiker. Noch eine Stunde. Lesen. Die Ausgabe vom TrailMagazin ist meine Rettung.
Endlich, der CheckIn ist geöffnet. Das Magazin fertig gelesen. Gepäck abgeben, Sicherheitskontrolle und zum Gate. Pünktlich heben wir nach Lissabon ab. Dank Notausgang habe ich an den Beinen Platz und kann etwas Schlaf nachholen.
Mit der Landung wische ich mir den Schlaf aus den Augen. An der Abflug-Tafel suche ich meinen Anschluss und bin verwirrt. Mit meiner Flugnummer gibt es nur den Flug mit Ziel Caracas. Falsch gebucht? Zu doof zum lesen oder einfach das Ergebnis einer durchtriebenen Nacht?
Auf Nachfrage klärt sich alles auf: Caracas via Madeira. (später steht es auch drauf) Glück gehabt. Ab durch die Passkontrolle und rein in den großen Airbus. Gemütlich mit Decken und extra viel Platz. Langstreckenflug. Nur das dieser für mich schon nach zwei Stunden vorbei ist.
Madeira Airport ist einer der schwierigsten Landungen in Europa. Im letzten Jahr gab es eine „langweilige“ Landung ohne viel hin und her. Heute hoffe ich auf etwas mehr Action. Im Sinkflug über Sao Laurenco fängt es zu wackeln an – und das Rodeo beginnt. Deftige Winde erfassen die Maschine. Luftloch, kribbeln im Bauch, schütteln, links, rechts, Landeklappen raus und in den Sitz gedrückt. Ein paar Kinder schreien, doch die Mütter kreischen lauter. Ich mag es. Eine große Rechtskurve, Endanflug. Die Landebahn ist nicht zu lang. Der Airbus groß. Lang braucht er zum aufsetzen. Fast denke ich wir starten durch. Bumm. Eher ein Aufschlag als eine Landung. Alle klatschen. Ich denke mir nur: Noch stehen wir nicht und da hinten kommt das Meer.
Doch die Bremse funktioniert:
Passageiros, estamos apenas pousou na Madeira.
Ich bin angekommen.
Den restlichen Tag verbringe ich mit essen und schlafen. Meinen Montags Ausflug auf den Funchal-Monte-Trail findest du hier.
It’s never to late to be a TV-Star – noch 4 Tage
Aufgeregt sitze ich beim Frühstück und stopfe mir dieses warme süße Etwas hinein. Keine Ahnung was es ist, aber es schmeckt. Photoshooting mit Trailschnittchen Julia Böttger. Frei nach dem Motto: „Einmal mit Profis arbeiten.“ Ich bin gespannt.
Halb Zehn holen mich Julia und Pedro, der PressRelationOfficer des MIUT, ab und wir fahren Richtung Riberio Frio. Eine Planänderung. Das Fernsehen kommt und will ein Interview mit Julia machen. Von der Kamera begleitet läuft Julia an der Levada hin und her während ich fotografiere.
Das Interview geht schnell und flüssig. „Okay, now we have little question to you Robert.“ Was? Wie, nein, oder? Er meint es ernst und ich schwitze. Nicht aber wegen der Schwüle. In Englisch quäle ich notdürftig zusammengewürfelte Satzbrocken hervor. Können die ja schneiden. Hoffe ich.
Nach vier Fragen ist der Horror vorbei. Da auch Pedro interviewt wird atme ich ein wenig auf und werde sicher rausgeschnitten.
Denkste. Hier der Beitrag welcher am Abend auf RPT Madeira ausgestrahlt wurde: Beitrag auf RPT Madeira ansehen (ab 11. Minute)
Der Versuch jetzt zum Pico Aiereio für die nächsten Aufnahmen zu fahren scheitert. Es regnet und die Sicht ist schlecht. Wir retten uns nach Poiso zum Kaffeetrinken.
Ein grober, neuer Schlachtplan steht. Wir fahren auf die Halbinsel Sao Laurenco und hoffen dort auf gutes Wetter. Mich schleudert es im Bus. Pedro ist ein guter und schneller Fahrer. Unterwegs finden wir noch einen guten Spot und können einige Aufnahmen in der Sonne machen. Hunger breitet sich aus. Also Zwischenstopp in Machico zu Fisch und Huhn. Sehr lecker. Jetzt einen Poncha. Poncha? Der Madeirische Schnaps. Pedro redet von nichts anderem. Muss gut sein. Muss aber noch warten. Erstmal noch raus zum letzten Spot. Es ist eine traumhafte Kulisse. Türkisfarbenes Meer, vereinzelte weiße Wolken und rotes Gestein. Was für Kontraste.
Schnell können wir einige Einstellungen festhalten und pünktlich zum Aufbruch fängt es an zu regnen. Klitschnass. Ich versuche mich zu trocknen und ziehe die Wechselsachen an. „Poncha, and you get warm!“ ruft Pedro. Julia schaut noch etwas skeptisch, kommt aber nicht drum herum. Jetzt wird Schnaps getrunken.
Oberhalb von Machico ist am Kreisverkehr eine kleine Bar. Und hier soll es den besten Poncho der Insel geben. Sagt Pedro. Frisch zubereitet aus gepressten Orangen, Honig und Rum. Viel Rum. Es riecht süsslich und nach viel Alkohol.
Lecker. Julia zögert. Wir stoßen an. Auf … „entweder es war der Poncha, oder es war der Poncha“. Egal wie das Rennen ausgeht, wir haben eine Begründung.
Zurück im Hotel schaffe ich es nicht unter die Dusche. Fotos sichten. Bedingt durch das Wetter waren es leider nicht so viele Spots wie erhofft, aber ein paare gute Ergebnisse sind trotzdem entstanden. Hier seht ihr noch keine Bilder. Denn wenn alles gut geht sind sie in der nächsten Ausgabe des TrailMagazin.
Sprachliche Komprimierung – noch 1 Tag
Nachdem ich gestern bereits an der Boca do Risco war, wollte ich diesen Teil Madeiras auch den anderen zeigen. Katja, Simone, Claudia und Kuno waren bereits in Machico. Und wir wollten uns nicht nur zum Essen treffen.
Den ganzen Tag sind wir auf den letzten 10 Kilometern und der Strecke des MIUT 2013 gewandert. Schönstes Wetter, einige Zecken und weite Ausblicke.
Jetzt sind wir mittendrin und warten gespannt auf das Briefing. Welche Änderungen gibt es? Wo sind die Tücken des Rennens? Wie läuft es organisatorisch ab?
Um es kurz zu halten: Die portugiesische Sprache ist anscheinend blumig. Englisch kurz und knackig. Die Ausführungen in der Landessprache dauern lang. In Englisch ist es in zwei Sätzen komprimiert abgehandelt. Etwas Neues gibt es nicht.
Am Abend kommt die andere Hälfte unserer WhiteWater-Hotel-WG, Ingo, an und wir trinken in der Bar noch ein Begrüßungs-Bier.
Der Freitag? Kurzabriß: Funchal, Spaziergang, Essen, Essen, Essen. Und ab und zu trinken.
Der Abend mit Ingo gestaltet sich kurzweilig. Sachen packen, Pflichtausrüstung checken, auf dem Dach dehnen, Beine hochlegen und noch Essen. Wir wären dann bereit.
MIUT T40 – das Rennen
Atemlos wache ich auf. Ich bekomme genug Luft, aber der Wecker beschallt uns mit Helene Fischer. Ingo dreht sich um. Ich ebenfalls. Es ist kurz nach sechs Uhr. Wir sollten raus.
Die Vorbereitung beginnt mit duschen und dem letzten Check der Ausrüstung im Laufrucksack. Ein kurzes Frühstück und schon stehen wir auf dem Parkplatz. Gewusel, Aufregung, Adrenalin. Fast 250 Läufer stehen mehr oder weniger unruhig und warten auf die Abfahrt der Busse zum Start auf dem Pico do Arieiro.
Die Scheiben sind beschlagen. Wir, wie auch der Busfahrer, sehen fast nichts. Enge Straßen, tiefe Schluchten. Unendliches Vertrauen in die Künste des Fahrers. Der Bus kämpft sich mit uns auf über 1.600m. Kurz reissen die Wolken auf und geben den Blick frei zum Pico Ruivo. Eine fantastische Landschaft.
An unserem Startplatz angekommen werden wir ausgesetzt. Es windet und ist kalt. Alle frieren. Zum Glück habe ich eine warme lange Hose und den Pullover an. Ab und zu kommt die Sonne hervor und wärmt etwas. Desto kälter fühlt es sich jedoch danach an, wenn sie wieder hinter den Wolken verschwindet. Musik dröhnt und jeder springt im Takt.
Noch 40 Minuten.
Langsam ziehe ich die wärmende Hose aus und sofort Gänsehaut. Scheisse ist das kalt! Da muss ich nun durch. Ausziehen und den BagDrop-Beutel zum Bus. Im Schutz der Masse ist der Wind etwas erträglicher. Die letzten fünf Minuten in der Startbox hüpfen wir und versuchen irgendwie warm zu bleiben. Vergeblich.
„Heyyyyy, Tobias.“ Da ist er tatsächlich. Der Trailtourist. Heute im wahrsten Sinne, läuft nicht mit, ist nur Tourist. Lang ist es her seit dem Tromsø SkyRace. So bekomme ich noch ein Startfoto. (Danke)
Die letzten 10 Sekunden zählen wir runter und los geht es. Der Pulk aus über 350 Startern setzt sich in Bewegung.
Wegen der Taktik den Berg hoch keuchen
Nicht zu schnell starten ist heute keine Option. Einerseits möchte ich heute nach den Sightseeing-Läufen der letzten beiden Jahre auf zeit laufen und andererseits habe ich Bedenken im Downhill in den Stau zu geraten. Ich muss ins vordere Drittel laufen um im Downhill Gas geben zu können. Es sind fast 100 Höhenmeter bis zum Observatorium.
Ich gebe alles und merke meinen Puls in die Höhe schnellen. Alles für den Spaß bergab. Geschafft. Zunächst langsam und stockend lichtet sich der Trail vor mir und ich kann mein Tempo laufen. Durch die Wolken. Die Beine fühlen sich perfekt an. Es macht Spaß. Während ich bergab viele Läufer überhole, muss ich auf geraden Abschnitten wie immer passen. Blick zurück, Blick nach vorne, grübeln wie der weitere Verlauf der Strecke ist. Gas geben oder etwas ruhig und Lücke lassen. An der Mini-Levada zum abgebrannten Wald hänge ich in einer Kolonne fest. Leider macht die Dame auch keinen Platz. Kein Stress, dort kommt gleich ein Anstieg, da kann ich eh nicht schnell.
Endlich am Ende des Aufstieges kann ich die Drei vor mir überholen. Jetzt kommt ein Stück bei dem ich Zeit gut machen kann. Ein wilder Downhill: Matsch, Staub, Wurzeln, Steine, Bäume. Alles liegt quer oder hängt herunter. Debiles Dauergrinsen. Ich lasse es laufen. Freie Bahn und die Waden fangen an zu glühen. Das ist Trailrunning. Für ein paar Kurven bin ich zu schnell und bleibe an Bäumen hängen. Einige 180 Grad Kehren bremsen. Dafür geht es fast senkrecht durch den Wald bis ich an der Levada ausgespuckt werde. Ich bin allein. Ausser ein paar Wanderern niemand. Entlang des Wasserlaufes zum ersten Checkpoint in Riberio Frio.
Nun beginnt der lange Aufstieg. 550 Höhenmeter auf fast vier Kilometer. In diesem Jahr aber auf der einfacheren Strecke mit Stufen (und nicht auf dem rutschigen Lehmboden). Der Stock hilft und ich finde ein gutes Tempo. Irgendwann überholt mich Pirmin. Er läuft hoch. Nicht schlecht. Topfit. Soll ich mehr riskieren? Nein. Ich weiß, dass es noch ein ganzes Stück ist. Viele andere überholen mich. Booonnggg. Aua! Mit dem Kopf bleibe ich an einem Ast hängen. Hinter mir lachen. Wenigstens haben die Spaß. Mein Schädel brummt kurz, aber ich komme nicht aus dem Tritt.
Durch die Schafherde zum Schlußanstieg nach Poiso wo endlich die erste Verpflegung naht. Auf dem Weg dorthin überholt mich die erste rote Startnummer. Der Führende des MIUT 115. Locker zieht er von dannen. Er hat schliesslich auch erst 85km in den Beinen. Der Wahnsinn.
Wie auch in den letzten Jahren bieten die Verpflegungsstationen alles was der Magen begehrt.Der Anstieg hat Kraft gekostet und ich möchte etwas Warmes. Es gibt Hühnersuppe. Nicht lecker, aber kochend heiß. Das tut gut und wird mit zwei Bechern Cola gemixt. Ein bisschen Käse in den Mund und Kuchen in den Rucksack. Weiter geht es. Nach einer kleinen Waldpassage geht es auf einem meiner Lieblingsteilstücke auf fluffigen Trails leicht bergab.
Ab und an reissen die Wolken auf und geben den Blick zum Meer frei. Ich kann immer noch rennen. Trotz wenigem Training fühle ich mich perfekt. Immer wieder wechsele ich mich mit einer Läuferin in der Führung ab. Im Downhill ziehe ich, auf der Geraden sie mich. Es geht schnell voran und bereits eine Stunde nach Poiso sind die 8 Kilometer nach Portela geschafft. Der Ausblick Richtung Faial und Porto Cruz ist sensationell. Das dritte Jahr, das dritte Mal Ausblick von hier.
Die Station in Portela ist in einem dunkeln Raum. Wieder gibt es alles, aber die Dunkelheit deprimiert. Kuchen, Cola und weiter. Der Abschnitt bis Funduras ist immer schwierig. Aus dem Fehler im letzten Jahr gelernt, habe ich meine Trinkblase diesmal gefüllt.
Eben auf einem breiten Weg, ohne Spaß, laufe ich ich langsam aber stetig mein Tempo. Die Dame von vorhin überholt mich immer wieder um dann wieder zu wandern. Ich bleibe meinem Schritt treu. Kontinuierlich. Groß ist die Freude als es rechts auf den Trail in den Wald geht. Es folgt wieder das ständige auf und ab. Die Läuferin habe ich etwas hinter mir gelassen. Durch die Lauferei kann ich viele ein- und überholen.
Es zieht sich. An jeder Biegung denke ich: jetzt kommt die Station. Kommt sie aber nicht. Es ist wie im Dschungel. Alles grün, feucht und der Pfad matschig. Die Schwüle lässt mich schwitzen und vorsorglich trinke ich immer wieder etwas.
Es dauert noch 40 Minuten und ich erreiche die Verpflegung Funduras. Nur noch 10 Kilometer. Viel Downhill. Und noch fast zwei Stunden Zeit. Selbst wandernd werde ich es noch unter die sechs Stunden schaffen. Da geht mehr. Zwei Becher Cola später gehe ich weiter. Da ich noch Kuchen im Rucksack habe, esse ich unterwegs und nehme erneut Tempo auf. Im Kopf geistern wieder die Gedanken: Wie wird es dieses Jahr an der Kante? Habe ich wie 2013 Angst? Oder wie letzte Jahr nur Respekt.
Die steilen Downhills wurden etwas durch Stufen entschärft. So ist es besser laufbar.Um nicht unkontrolliert auf die Vorderläufer zu prallen rufe ich mir meinem Weg frei. Alle haben wohl Angst vor 2 Meter und knapp 100 Kilo … und machen den Weg frei.
Das türkis-blau des Atlantiks schimmert durch die Sträucher. Die Kante kommt näher. Mein Herz rast. Der Wald öffnet sich. Die Kante! Ein schmaler Trail und links geht es 500m senkrecht ins Meer hinab. Komisch. Ich habe weder Angst, noch mulmige Gefühle. Es kommt mir fast so vor als ob es mit nichts ausmacht. Das Training und die Routine haben sich bezahlt gemacht. Selbst für das obligatorische „I-survived-die-Kante-Selfie“ kann ich mich nah an den Abgrund stellen.
Beflügelt im Rausch renne ich weiter und merke wie warm und sonnig es geworden ist. Auf windstillen Abschnitten ist es unsäglich heiß. Ich trinke und trinke. Werde jedoch unkonzentrierter und schalte einen Gang zurück. Es verhindert jedoch nicht das ich eine Wurzel übersehe und ins schleudern gerate.
Irgendwie schaffe ich es einen Ast zu greifen und kann den Sturz verhindern. Verunsichert gehe ich das letzte Stück im Wald. Nicht zuviel riskieren. Nur noch 5,5 Kilometer.
Bis zur Nevada merke ich meinen Kreislauf und die Hitze. Die Sonne prallt nun ungehindert auf mich ein. Zeit für die Notfall-Cola. Seit Anbeginn des Rennens schleppe ich die 0,25l Dose mit. Genau für diesen Augenblick. Sie gibt mir Kraft für die flachen letzten Kilometer an der Levada.
Ich renne, aber sehr langsam. Doch wandern will ich nicht. Vielleicht geht auch noch mehr, aber es muss einfach nicht sein. Zur Zeit liege ich sogar auf Kurs unter 5:30h.
Cornelia überholt mich. Verdammt stark die Gute. Am liebsten würde ich mich an sie hängen. Aber ich möchte die Krämpfe wie beim Petit Ballon im Zieleinlauf vermeiden.
In Ribeira Seco gibt es nochmal Cola. Süßstoff für den Zieleinlauf. Auf der Höhe, das Ziel im Blick. Im letzten Downhill auf der Wiese über Machico kann ich noch eine Dame überholen. Auf dem Flachen war sie schnell, doch bergab bin ich schneller. Auf der Straße zu den letzten Treppen. Das Ziel ist jetzt sichtbar und es sind viele viele Zuschauer an der Promenade. Die Vorfreude steigt. Ich werde unter 5:30h bleiben, ohne Probleme, ausser Sonnenbrand, ankommen und hatte wieder eine grandiose Zeit auf dem T40.
Ich nehme die letzten Stufen und laufe die Promenade entlang. Die Leute klatschen und rufen. Überwältigend. Die Brücke. Nur noch 200 Meter bis zum Ziel. Ich laufe auf den Läufer vor mir auf und könnte ihn locker überholen. Einen Platz gut machen.
Ich werde langsamer. Hier noch überholen. Nach über fünf Stunden. Nein danke. Zwei Sekunden trennen uns unter dem Zielbogen. Wir klatschen uns ab. Was hätten mir diese paar Sekunden gebracht, ausser Kopfschütteln bei den Zuschauern. Die Zeit bleibt für mich bei 5:25:27 stehen.
Der Not-Zehner im Rucksack wird hervor gekramt. Ich setze mich in die Bar, bestelle mein Siegerbier und freue mich das ich es geschafft habe. Super Zeit, super Lauf. Prost!
Kurze Zeit später kommt auch Ingo ins Ziel und wir trinken gemeinsam und erzählen unsere Geschichten. Wahnsinn was man innerhalb von so kurzer Zeit alles erleben kann. Im Live-Ticker kündigen sich Simone und Katja an. Bezahlt und ab zum Zieleinlauf. Hand in Hand mit einem breiten Lächeln finishen sie. Noch mehr Geschichten, noch mehr Eindrücke.
Endlich duschen und ein paar weitere Biere. Den ganzen Abend sind wir noch im Ziel und können viele weitere Einläufe bejubeln. Martin Scheeler auf Platz 2 beim T85, Julia 4. beim T115, Jens der trotz Verletzung ruhig und lässig den T85 meisterte, und und und.
Besonders freute mich der Einlauf von Mauricio. In London im letzten Jahr war er noch skeptisch ob er sich anmeldet. Und nun ist er MIUT 115 Finisher. Good job!
Epilog – die Worte zum Schluß
Das freie WiFi ist auf 30 Minuten begrenzt und ich sitze mit dem Laptop auf dem Flughafen in Lissabon. Ungemütlich, laut und noch viel zu viel Zeit bis zum Anschlussflug. Zeit zum schreiben.
Früh ging es heute Morgen von Madeira los. Im Flugzeug gab es zwei Typen von Menschen: beide humpelten. Einerseits Rentner, andererseits MIUT Läufer. Voller Stolz und Muskelkater der nicht zu übersehen war nahmen wir Sportler die Treppe. Pain is temporary, glory forever.
(Übrigens sehen die MIUT Läufer trotzdem noch fitter aus als die Jungs mit den Finisher-Shirts vom Paris Marathon (der auch gestern war).)
Die Tage auf Madeira taten gut. Es war nicht die entspannte Zeit welche ich eigentlich geplant hatte. Aber wann geht schon ein Plan auf? Es war besser. Es waren acht Tage Sport, Erholung, das Treffen vieler alter und neuer Bekannten, hochkommende Erinnerungen und einfach eine Zeit die in Aktionen und Träumen enden.
Ob ich nächstes Jahr wieder den MIUT laufe? Könnte ich mich heute anmelden, ich würde es nicht tun. Jedoch ausschliesslich aus dem Grund: 40km oder doch die 85km?!
Etwas verrückt ist gut. Nur so kommen wir weiter. Der Mut Neues zu wagen und zu erleben bringt uns voran. Geistig und körperlich. Das avisierte Ziel, diese brutalen 85km über Madeira zu finishen, lässt mich schon jetzt vor Aufregung Köstlichkeiten ausschlagen. Die Dame, die Appetizer für Starbucks verteilt, findet in mir keinen Abnehmer. Diät für den nächsten Lauf.
The show must go on. Collect moments, not things.
Dein Robert
Gewidmet allen Finishern, Kämpfern die es leider nicht ins Ziel geschafft haben, Startern und Organisatoren (inkl. und ausdrücklich aller Helfer) des Madeira Island Ultra Trail. Ohne euch wäre es nicht so ein grandioses Event.
Besonderen Dank:
Julia für das Coaching. Auch wenn ich nicht immer auf dich höre, es bringt so viel und empfehle dich gerne weiter.
Mauricio, dich habe ich vor zwei Jahren auf Madeira kennengelernt und freue mich sehr dich nach London letzten Jahres wieder getroffen zu haben und das du den MIUT 115 gerockt hast. Trailrunning verbindet Nationen und schafft Freundschaften.
Meinungen & Diskussion
Ich freue mich auf rege Diskussionen und vor allem deine Meinung.
Bitte beachte und akzeptiere vor dem Schreiben deiner
Meinung/ Kommentar bitte die Datenschutzerklärung.
Hach, soo gerne wäre ich in der Schleife „Täglich grüßt der MIUT“ gefangen….
An solchen Tagen wie den 11.04.2015 müßte die Zeit mindestens nur halb so schnell vergehen, einfach nur weil es so schön ist…da nehme ich die arschkalte Stunde vor´m Start gerne mit in Kauf ;-)
Robert, Deine Bilder sind mal wieder sehr begeisternd und Deine Worte, ja, sie rufen wieder meine Erinnerungen wach und ich sitze hier grinsend wäre ich diese Zeilen schreibe…
Freue mich Dich bald wieder zu sehen!
Liebe Grüße, Simone