So anstrengend hätte sich das niemand vorgestellt und doch war jeder auf seine Weise verzaubert von der Strecke, der Landschaft und dem unvergleichlichen Erlebnis Sardona Ultra Trail 2013.
Kindergarten war das nicht! „Menschenverachtend“, „ihr seid doch bekloppt“, „grandios“, …
… die Beschreibungen der Teilnehmer während des Laufes und auch im Ziel waren eigentlich alle Gleich. So anstrengend hätte sich das niemand vorgestellt und doch war jeder auf seine Weise verzaubert von der Strecke, der Landschaft und dem unvergleichlichen Erlebnis Sardona Ultra Trail 2013.
Eigentlich hatte ich mich für die Marathon Distance (38km mit 3.000 hm) gemeldet, hatte mich jedoch dann umgemeldet da ich Anfangs August krank war und noch nicht wusste ob ich den Lauf gut überstehen könnte. Also auf die (vermeintlich) einfachere Strecke. Short Distance, mit 20km und 1500hm in etwa die Hälfte der Marathon Distanz. Es ist erst die zweite Ausgabe der Veranstaltung, für mich aber bereits jetzt durch die Einzigartigkeit der Routen (fast 100% Trail Anteil) zum Kult geworden. Auch die Beschränkung auf maximal 300 Teilnehmer macht aus dem Lauf etwas Besonderes. (ich mag einfach keine 1.000 Leute um mich)
Die Schweiz – ein Land der Verkehr(ver)planer
Zwar sollte der Start erst um 10Uhr erfolgen, trotzdem war mir die Anreise mit um 4Uhr aufstehen zu mühsam. Also reiste ich bereits Freitags an und entschied mich bis Sonntag oben in Furt zu übernachten. Auch das ich gesehen hatte das viele andere Bekannte kommen wollten inkl. Trailschnittchen Julia freute mich.
So ging es am Freitag Mittag via Konstanz und Romanshorn Richtung Sargans. Ich weiss warum ich so ungern in der Schweiz Auto fahre. Tempolimit, Parkplätze welche die Kreditkarte schwitzen lassen und Kreisverkehre in Übermaß. Nach gefühlten 120 Kreisverkehren, 500 Ampeln und 2 Millionen Fußgängerquerungen war ich endlich auf der Autobahn und konnte den herrlichen Blick über den Bodensee geniessen. Tempo 100 und irgendwann kam ich an der Talstation der Pizol Bahnen in Wangs an. Viel zu früh wie immer, aber die Registration war schon aufgebaut und ich lernte auch den Organisator Umberto Michelucci kennen. Er ist in die Pizol Region verliebt, eigentlich Italiener, nett und mit Herzblut dabei! Auf dem Parkplatz traf ich auch Thomas Wagner vom Team Salomon Deutschland, besser bekannt als „die Rakete von Graz„. Schwätzchen halten und mein Erstaunen verbergen das er nach nur einer Woche nach dem TransAlpine Lauf (8 Tage, 300km, 20.000hm) mit TrailMagazin Chef Denis schon wieder einen Ultra in Angriff nimmt. Respekt mit ein wenig Ungläubigkeit meinerseits.
Mit meiner großen Tasche machte ich mich bergwärts in der Seilbahn. Ich mag es nicht. Die ganze Zeit überlege ich nur ob man noch springen könnte falls das Ding stehen bleibt. Unangenehm, aber die Alternative, zu Fuß oder mit dem Auto, waren auch nicht besser.
Oben angekommen checkte ich im Hotel Alpina ein und richte mich im Zimmer ein. Tasche auskippen, das Second Life zurecht machen, Startnummer befestigen, Pflichtausrüstung suchen… und Duschen! Zeit war noch genug also konnte ich ein wenig die Gegend erkunden und wanderte die ersten 500m der Strecke ab. Etwas glitschig aber gut zu laufen. Ich traf auf Julia und lernte Alex kennen den ich aus dem TrailForum kannte und auch ein Schützling von Julia ist. Wir verabredeten uns für den Abend im Restaurant. CarboLoading!
Mit Nachschlag in die Unruhe
Zusammen mit Alex und zwei Helfern saßen wir am Abend zusammen und machten uns über Nudeln mit Bologenese und Käse her. Ein Teller 10 Franken, stolzer Preis, aber Schweiz… Hunger hatte ich, also musste noch ein Teller dran glauben. Dass das Schneider mit Alkohol genauso schmeckte wie alkoholfrei störte dann auch nicht mehr. Müde und und gut gefüllt schlief ich ein. Aber nicht lange. Das Bett war zu kurz und hatte eine Latte am Ende. Die Beine konnte ich nicht lang machen und ich wälzte mich hin und her. Vor meinen Augen lief der Film des nächsten Tages ab. Schaffe ich die Strecke? Ja klar! Unter 3:30h? Kann gehen! Hält die Wade ohne Schmerzen? Fraglich!
Den Wecker benötigte ich nicht. Weit vor 6Uhr wachte ich auf und duschte ausgiebig. In Laufsachen ging es zum Frühstück wo ich wieder auf Thomas mit Freundin, Alex und Felix traf.
Frostiger Wind, steile Anstiege und atemberaubende Panoramen
Da meine Strecke zuletzt startete konnte ich noch Bilder von den Starts der Ultra und Marathon Distanz machen. Und plötzlich war ich selbst beim obligatorischen Ausrüstungscheck. Alles dabei! Es kann losgehen.
Pünktlich um 10Uhr schickte uns Umberto mit Pistolenknall auf die Strecke. Sehr flott ging es leicht abwärts durch den Wasserpark im Wald auf schmalen Pfaden in Richtung dem ersten Anstieg. Ich begann schnell, aber vorsichtig. Das erste Mal in meinem Läuferleben bin ich gut warm gelaufen. Traute dem jedoch nicht. Es ging aber gut und der stechende Schmerz war bald nicht mehr da. Der Motor war warm. Während die Führenden schon nicht mehr auszumachen waren schnaufte ich den Anstieg zum Gamil hoch. Teilweise war nicht zu erkennen welchen Weg man gehen sollte, aber das Zwischenziel, das Kreuz, war klar. Bereits hier war ich immer in der näheren Umgebung einer netten Dame mit der ich fast die gesamte Strecke unterwegs sein sollte. Am Gipfel hatte sie etwas Vorsprung. 640hm laugen mich dann doch. Jetzt aber erstmal 300hm wieder runter. Mein Element und ich konnte auf die Gruppe aufschliessen und auch überholen. An der Gaffia-Hütte hatten wir nun schon 6.4km hinter uns und wir tankten kurz auf um den nächsten schweren Anstieg in Angriff zu nehmen. Steil, steiler,…Luft!!!! Auf nur 3km galt es 800 Höhenmeter zu erklimmen. Zwar lenkte das atemberaubende Panorama (bis zum Bodensee!) etwas ab, jedoch war es steinig und steil. So hatte ich es noch nicht erlebt. Ich musste einige ziehen lassen und auch die rosafarbenen Mädels hinter mir holten stetig auf. Bevor wir die Spitze auf 2456m erreichten hatten sie mich. Oder besser uns. Die Dame vom ersten Anstieg war bei mir. Ich musste ziehen lassen. Ein eisiger Wind wehte. Ob aus Eitelkeit oder Angst vor Zeitverlust entschied ich mich nicht die Jacke über zu ziehen. Eigentlich ging es auch und in den Tälern bzw. Anstiegen war es windstill.
Vorbei am Schwarzsee mussten wir nochmal einen Kräfte zehrenden Anstieg hoch. Neben uns kamen Eisbrocken die Felswand runter. Spektakel, wenn auch nicht ungefährlich. Auf der Hälfte hatte ich keine Lust mehr. Die Oberschenkel brannten und sollte noch mindestens ein solcher Anstieg kommen. Die nette Dame aber motivierte mich, oder besser trieb mich. Es half mir sehr und bin ewig dankbar!!! Gel reindrücken, Nussriegel stopfen und die Trinkblase anzapfen. Was hätte ich mir jetzt eine Cola gewünscht. Zum Glück ging es jetzt einen fluffigen Trail abwärts und ich konnte sehen was mich auf der Marathon Strecke erwartet hätte. Es wäre in meinem Zustand hart geworden. Nächstes Jahr! ;-)
Am Wildsee war Partystimmung. Zahllose Wandergruppen pausierten am Seeufer und klatschten. Auf dem Downhill konnte ich nun auch wieder an die Ladies in Pink aufschliessen. Das Wetter war inzwischen angenehm, die Sicht gut und der Streckenverlauf grandios. Durch eine Schutthalde ging es zum letzten Mal hinauf. Die PinkPanther Sisters musste ich wieder ziehen lassen. Taktik, TAKTIK!!! Danach geht es 6km bergab, da frisst du sie dann entgültig. Am Sattel „Wildseeluggen“ auf 2493m schrie ich befreit auf. Jetzt nur noch negative Höhenmeter!
Cola rettet Leben – überholen beim Boxenstopp, Sub 4 Stunden? Ab dafür!
Steil bergab ging es jetzt und meine nette Begleitung „liess“ ich hinter mir. Mein Ziel war die Aufholjagd zu den PinkySisters. Sie waren knapp eine Minute vor mir aber ich kam noch nicht schnell voran. zu steil und zu gehemmt was die Wade sagt. Langsam gewann ich an Sicherheit und erhöhte das Tempo. Kurz vor der Verpflegungsstation war ich nah dran und konnte sogar noch auf einen anderen Läufer aufschliessen. An der Pizol Hütte standen wir zu viert und ich freute mich wie ein kleines Kind – es gab Cola! Zwei Becher eingekippt und mit leichtem Vorteil vor Team Pink weg quer über die Skipiste den Markierungen entlang. Zum Teil weglos über Steine und Wiesen fühlte ich mich pudelwohl und trieb den Puls hoch. Die Wade meldete sich nicht, also volles Rohr. Umberto sagte mir das der Gewinner letztes Jahr 20Min. für diesen Teilabschnitt gebraucht hätte. Woah, das schaff ich wohl nicht. Den Abstand zu der Dreier Gruppe konnte ausbauen und an der Gaffia Hütte schaute ich auf die Uhr. Ich habe noch 18Minuten bis zum Ziel um unter 4 Stunden zu bleiben. Cool! Das eigentlich Ziel unter 3:30h zu laufen hatte ich schon beim Anstieg am Schwarzsee ad acta gelegt, aber unter 4h, wäre auch gut. Leider verlor ich mich des öfteren im Weg da ich die (etwas spärliche) Markierung übersah und in paar unnötige Haken schlug. Das Tempo hielt ich schnell und konnte sogar noch eine Läuferin einsammeln und hinter mir lassen. 13:55 und ich konnte das Ziel sehen. Alles was noch ging ohne Rücksicht auf die brennenden Oberschenkel sauste ich den Weg runter. Kurz vor dem Ziel fast noch umgeknickt und einen echten Zielsprint. 3:58:18h – meine Zeit. Am Ende, aber glücklich.
Freude haben wenn man anderen Freude bereitet
Nach einer großen Flasche Cola im Ziel, Gesprächen und Finisher-Shirt abholen aktivierte ich die Dusche und und packte meinen Rucksack mit der Kamera, Gummibärchen und Wasser. Da ich bereits „so früh“ fertig war wollte ich die Chance nutzen und Fotos machen und den Läufern zujubeln. Da ich weiss wie ich mich darüber freue, hoffte ich das sie sich auch freuen. Mit dem Sessellift ging es zur Gaffia Hütte hoch. Arghhhh, nein, Gondelbahn ist blöd, aber Sessellift noch schlimmer. Vorallem wenn ich meine Beine hochheben muss vor dem Aussteigen weil sie ansonsten schleifen würden.
Auf der Gaffia Hütte war gut Betrieb. Ich ging ein wenig den Weg hinauf und war erstaunt wie gut es ging. Vor nicht einmal 6 Stunden schleppte ich mich hier hoch.
Rund zwei Stunden verbrachte ich am Weg und jubelte allen Läufern zu und machte Fotos. Alle waren am lächeln. Der Eine gequält, der Andere lockerer, aber sie freuten sich. Da fast alle Marathonläufer durch waren siedelte ich auf die Gaffia Hütte um und bestellte mir Calanda und Salsiz. Lecker! Und die Hüttenwirt/in waren super nett. Bis zur Dunkelheit verbrachte ich oben, unterhielt mich gut mit den beiden, stürmte raus wenn ein Läufer kam, machte Fotos und jubelte. Alex kam auch irgendwann und sah eigentlich gut aus, meinte aber nur „die Strecke ist Menschenverachtend!!!!“. Ich musste schmunzeln, wusste ich doch was er meinte, und das nur aus der Short Distance Erfahrung.
Vier weitere Calanda später und absuchen der Route mit dem Feldstecher wollte ich runter ins Ziel laufen. Inzwischen hatten wir auch mit Absperrband die Strecke markiert da einige falsch laufen wollten. Pascal, welcher oben an der Gamidurspitz LiveStreaming gemacht hatte, kam runter. Auf einmal sahen wir zwei Lichter. Es waren die ersten Läufer des Ultras. Matthias „Dippi“ Dippacher und Stephan Hugenschmidt kamen. In rasantem Tempo. Kurzes Blitzfoto und dann stiegen wir ab. Mein zweiter Zieleinlauf an dem Tag, aber diesmal in gemütlich. Unterwegs stellten wir Pfosten wieder auf die Kühe umgerissen hatten, so bestand die Chance das die Läufer in der Nacht die Strecke finden konnten. Spannend wäre es trotzdem eine Auswertung der GPS Daten zu machen. Wahrscheinlich hätte man von Gaffia bis Furt mindestens 10 verschiedene gelaufene Routen gehabt.
Wo bleibt sie denn?!
Der Abend war noch jung und ich hatte Hunger. Nochmal Nudeln mit Käse. Irgendwann kam Thomas ins Ziel. Aber wo blieb Julia? Das wollte ich noch sehen. Es sollte noch bis kurz vor Mitternacht dauern. Es nieselte inzwischen, aber jeder Läufer wurde herzlich im Ziel empfangen. Von einem Läufer wussten wir das Julia zusammen mit einem Anderen demnächst kommt und schon konnten wir die Stirnlampen ausmachen. Das Zielfoto spricht Bände. „Ihr seid doch bekloppt!“ Und ich verstehe sie. Gänzlich anders war das Profil zu anderen Läufen. Hart, härter, geil!
Und was bleibt?
Heute Morgen packte ich die Sachen, wir frühstückten nochmal in Ruhe. Ab ins Tal, ins Auto und diesmal über Lindau mit weniger Kreiseln, zurück. Müde war ich, aber froh über meine Entscheidung auf Short umzumelden, glücklich es so gut geschafft zu haben, voller Eindrücke von dieser Landschaft, der Trails, den Leuten, dem Erlebnis.
Was bleibt ist der Gedanke an nächstes Jahr. Ich weiss jetzt was auf mich zu kommt. Marathon! Perfekt vorbereitet durch das Gescheuche von Julia.
Ich möchte mich bedanken bei
- Umberto für das tolle familiäre Event und dein Herzblut
- Julia für das tolle Training was du mir vorschreibst und an was ich mich öfter auch halte
- der netten Dame welche mich über lange Zeit begleitet hat und den Anstieg hoch motiviert hat
- den PinkPanther Sisters für den Ehrgeiz den ihr in mir geweckt habt
- den vielen Helfer am Start, unterwegs, im Ziel für eure tolle Arbeit, Motivation und motivierenden Sprüche
Ich komme wieder. Und wenn ich nicht laufen kann, dann als Helfer!
Die Bilder welche ich gemacht habe findet ihr unter Sardona Ultra Trail 2013 – die Bilder
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