10.000 Höhenmeter (in einer) Woche

10.000 Höhenmeter (in einer) Woche

14. Dezember 2015

In einer Woche auf den Mount Everest und noch höher. 10 Kilometer in die Höhe. Und wieder runter. Zwischen Himmel und Hölle. Zwischen Drang und Muskelkater.

Viele fragten mich während der Woche und auch noch lange danach. Warum?

Die Antwort klingt leicht schräg. Vielleicht auch idiotisch oder kindisch. Ich könnte jetzt schreiben das es mir um den Trainingseffekt, die Härte und das Durchhaltevermögen ging. Alles Quatsch! Es wäre gelogen. Es ging lediglich um einen Strava Button.

Echt jetzt?
Ja!

Florian hatte Anfang des Jahres ein paar 10.000 hm mit den Ski gemacht. Und irgendwie gab es da Buttons für diese Leistung auf Strava. Das wollte ich auch mal!

In meinem Kopf spukte dieses Vorhaben breits das ganze Jahr. Doch durch Wettkämpfe, einiger Krankheiten und einem eher bescheidenen Trainingsumfang im zweiten Halbjahr setzte ich es nicht um. Im Dezember trafen zwei Ereignisse aufeinander: Jürg forderte mich auf den Titel bei der Regitzer Challenge 24-Count zurück zu erobern und ich musste meine Resturlaubstage aufbrauchen.

Eine Woche Zeit. Das sollte funktionieren.

Das Protokoll

Montag – noch 10.000 hm – 9x auf den Regitzer

Es ist 2 Uhr mitten in der Nacht. In Fläsch unterhalb der Regitzer Spitz ist nichts los. Bis auf das eine Auto welches Martin, alias Hermi, ausspuckt. Zwei Stunden bin ich bis hierher mit dem Auto unterwegs gewesen.

Die Taktik zur Erreichung meines Höhenmeter-Zieles: Anfang der Woche richtig Meter machen um nach hinten raus Luft zu haben. Was könnte da besser sein als die Regitzer Spitz Challenge der Grischuni Runners. Dort gibt es die 24-Count-Wertung und im Februar schaffte ich bereits vier Begehungen am Stück. Doch über den Sommer stiess mich erst Jürg (6x) und dann Hampi mit sagenhaften 8x(!!!) vom Thron. Das konnte ich so nicht auf mir sitzen lassen.

Zumindest versuchen müsste ich es. Meinte auch Jürg und lobte bei neun Mal einen Kasten Bier aus. Anscheinend kennt er mich gut. Das treibt an!
Hermi hatte Wind davon bekommen und schrieb mich auf Facebook an. Er wollte Hampi ebenfalls von Platz 1 stossen. Es musste aber Geheim bleiben. Schwierig für mich war es  den Mund bei Jürg zu halten. Er fragte alles aus, aber ich hielt dicht.

So stehen nun Hermi und ich hier am Wegweiser des Türlisweges, dem Start. Um 2:02 Uhr starten wir die Uhren und Kopflampen. Es geht los.

Mit strammen Schritten geht er vor mir den steilen Pfad hoch. Es ist stockdunkel um uns. Meine Lupine leistet ganze Arbeit und leuchte den Weg. Immer wieder kann ich tief hinab nach Fläsch sehen. Es geht direkt neben uns senkrecht in die Tiefe. Dank der Serventinen sind die ersten 300 Höhenmeter schnell gemacht und wir erreichen die Wiese. Hier weht ein furchtbar eiskalter Wind. Ab und zu wechseln wir ein paar Sätze. Doch jeder konzentriert sich auf seinen Tritt. Wir gehen im oberen Teil den Forstweg. Es gibt Abkürzungen, doch im Dunkeln ist es nicht ungefährlich. Sehr steil und abschüssig. Das geht in die Oberschenkel und Kraft brauchen wir noch.

Hinter Hermi in der Nacht

Hinter Hermi in der Nacht

Nach 50 Minuten stehen wir das erste Mal auf dem Plateau des Regitzer. Hermi deponiert seinen Rucksack und trinkt etwas. Mein Basislager habe ich im Auto. Für die nächsten Runden werde ich aber eine Flasche Wasser hier oben ablegen.

Der Wind ist kalt und fährt uns tief in die Glieder. Immernoch tiefste Nacht können wir bis Sargans schauen und sehen im Mondschein die umliegenden Berge. Doch wir müssen uns auf unsere Schritte konzentrieren. Auf der Wiese knicke ich kurz um. Doch es kann weiter gehen.
Endlich sind wir wieder im geschützten Wald. Die Bäume halten den Wind ab und schlagartig wird es wärmer. Am Körper war mir auch oben nicht kalt. Dafür aber an Händen und Gesicht um so mehr.

3:20 Uhr – der erste Streich. Geschafft.

Da ich noch alles im Rucksack habe und Hermi alles oben am Gipfel, drehen wir direkt um und nehmen die zweite Runde in Angriff. Ich wollte immer aller zwei Runden zum Auto, eine kurze Pause machen, Sachen wechseln, Getränke und Snacks holen.
Wir sind immernoch schnell. Der Wind bläst oben auch noch. Diesmal benötigen wir knapp 55 Minuten. Wir laufen direkt wieder runter. Da ich im Downhill schneller als Hermi bin und zum Auto muss, laufe ich vor.

Noch sechs Runden bis zum Gleichstand.

Unten am Auto gibt es heißen Tee und BiFi. Ein Bissen vom Käsebrot. Auf mehr habe ich keinen Hunger. Das Gel welches ich mir vorhin reingedrückt habe war widerlich. Da ist die Schnitte ein 5-Sterne Gourmet Menü.

Zurück zum Startpunkt kommt bereits Hermi und nach einer kurzen Pause geht es wieder bergauf. Hermi ist etwas langsamer geworden. Ich auch. Doch es geht noch ganz gut. Ab und an versuche ich nun die Führung zu übernehmen und Hermi zu ziehen. Ab der Wiese weht der Wind und es fröstelt etwas. Wir machen langsamer. Dafür aber kontinuierlich. Wir liegen perfekt in der Zeit. Nicht zuviel riskieren. Der Tag wird noch lang werden. Wir brauchen fast 55 Minuten dann stehen wir wieder oben am Gipfel. Wir blicken hinunter ins Rhein-Tal und in Richtung Pizol.

Pizol in der Morgendämmerung

Pizol in der Morgendämmerung

Langsam dämmert es und die mit Schnee bedeckten Berge Graubündens erscheinen. Bereits dreimal sind wir jetzt hoch. Über 1.500hm sind geschafft. Ich rechne nicht nur die Runden um die Regitzer Challenge an mich zu reissen, ich zähle auch Höhenmeter für meine Wochenaufgabe.
Da ich unten keine Pause machen will, bleiben wir im Downhill zusammen.

3 Runden sind geschafft. Es ist 6:30 Uhr.

Beim vierten Aufstieg wird es langsam hell. Während wir langsam die Höhenmeter sammeln geht mein Post auf Facebook online. Jetzt wissen alle was ih diese Woche vor habe und Jürg das ich bereits unterwegs bin! Damit das ich so früh los laufe hätte er sicher nicht vermutet. Das Hermi dabei ist noch weniger.
Hermi hat etwas Probleme. Nur langsam kommen wir voran. Die Kälte kostet Kraft. Wir schleppen uns gemächlich in der Dämmerung auf den Gipfel.

Das vierte Mal geschafft. Mein eigener Rekord vom Februar ist eingestellt. Hermi bleibt oben. Etwas trockenes und warmes anziehen. Ich laufe ins Tal zum Auto und ziehe mich um. Der heiße Tee wirkt wieder Wunder. Ein kleines Lächeln huscht über mein Gesicht. Mir geht es heute nach vier Runden wesentlich besser als das letzte Mal. Damals ging nun nichts mehr. Heute geht es noch recht gut und bis auf die Müdigkeit durch den Schlafmangel spüre ich noch nichts.

Halbzeit.

Da es jetzt fast hell ist beginne ich den fünften Aufstieg und warte nicht auf Hermi. Doch kurz danach kommt er mir bereits entgegen. Etwas zermürbt sagt er mir das ihm extrem kalt ist und er sich, für heute, geschlagen gibt. Verständlich. Als Selbstständiger ist es nicht ratsam krank zu werden. Seine Restaurant (Mühle Fläsch) muss laufen. Nicht seine Nase. Wir verabschieden uns und vielleicht kommt er im Laufe des Tages nochmal vorbei.

Jetzt bin ich nun auf ich alleine gestellt. Tagsüber jedoch nicht so wild. Für die Nacht und die ersten Runde war Hermi ein perfekter und wunderbarer Begleiter.

Die Gams-Wiese

Die Gams-Wiese

Ich komme gut in Tritt und schaffe auch Besteigung Nummer fünf Problemlos. Beim Downhill erwische ich die grasenden Gemsen auf der Wiese.

Auf dem Plateau beim 5. Mal

Auf dem Plateau beim 5. Mal

Sie schauen etwas verdattert was ich da zum Frühstück auf ihrer Wiese mache. Aber so langsam wie ich bin sehen sie keine Gefahr in mir und strafen mich mit Ignoranz.

Ab jetzt ohne Stirnlampe – auf zu Nummer Sechs

Inzwischen habe ich bereits über 3.000 Höhenmeter gesammelt. Es läuft und die Sonne wärmt mich auf. Klarer Himmel und eine perfekte Sicht auf die Gebirgswelt. Ich geniesse es. Ich spüre erste Ermüdungserscheinungen in den Beinen. Nummer Sechs ist schön, aber nicht schnell. Endlich sehe ich etwas und laufe nicht gegen eine dunkle Wand.

Sonnenaufgang

Sonnenaufgang

Wieder in Fläsch gönne ich mir eine große Pause. Nudeln mit Soße und Würstchen. Lecker! Jürg hat geschrieben und fragt wieviele Runden ich schon habe. Dadurch das ich mein Roaming ausgeschaltet habe erreichen mich aber nur Teile der Nachrichten. Auch Hermi fragt nach und freut sich über die Sechs-Mal.

Feine Nudeln

Feine Nudeln

Weiter. Noch Zweimal um auszugleichen und Dreimal für den ersten Platz

Diesmal verkable ich mich und lege mir Musik auf die Ohren. Irgendwann kommt die passende Musik: „Romeo und Juliet, Op. 64: No. 13 – Dance of the knights“. Der Takt passt zum aktuellen Tempo. Es ist schwierig geworden. Jeder Schritt mühsam. Den Stock setze ich im Takt neben mir auf. Das steilste Stück ist geschafft.

Blick zum Regitzer

Blick zum Regitzer

Auf der Wiese ist der einzige etwas flachere Abschnitt. Beine lockern. Zwar ist der Weg auf der Forststraße länger, aber dafür kostet er nicht soviel Kraft. Kontinuierlich setze ich einen Fuß nach dem Anderen. Auf der Wiese sehe ich jemanden ebenfalls mit Stöcken und sehr zügig. Noch ein Grischuni Runner auf Punktejagd heute? Ich gehe weiter und schaue ich immer wieder um. Jürg!
Kurz vor dem Gipfel holt er mich ein. Er hat Mittagspause und erst später einen Termin und wollte eine Runde mit mir hoch laufen. Sehr cool. Wir quatschen und ich erzähle ihm von der eisigen Nacht wie es sonst so geht.

Regitzer Spitz Gipfelbank

Regitzer Spitz Gipfelbank

Das siebte Mal ist geschafft. Weder Jürg noch ich zweifeln an Nummer Acht. Zusammen laufen wir hinab. Ich muss ab und zu gehen. Die Innenseiten der Oberschenkel sind etwas aufgescheuert. Den geplanten Wechsel der Hose im Tal sollte ich vergessen. Nach einer halben Stunde ist der Downhill auch geschafft und verabschiede Jürg.
Pause!

Ich bin müde. Sehr müde. Einen Moment lang überlege ich kurz zu schlafen. Aber aus Angst ich wäre danach wie gerädert lasse ich es. Auf geht es zur achten Runde.

Es geht schwer und ich kämpfe. Inzwischen ist Nachmittag und  ich nicht mehr ganz alleine auf dem Weg. Immer wieder kommen mir Leute entgegen oder ih überhole sie. Einige sehe ich zum zweiten Mal.

„Sie schon wieder!? Na dann schaffen sie auch noch die Drei!“

Auf meine Antwort das es bereits Nummer Acht ist verstummen sie. Wahrscheinlich werde ich für bekloppt gehalten und bekomme demnächst Besuch von den Jungs mit den Zwangsjacken.

Blick runter zur Wiese

Blick runter zur Wiese

Nach einer gefühlten Ewigkeit erreiche ich den Gipfel. Über eine Stunde habe ich gebraucht. Doch der Rekord ist eingestellt. Jetzt wird es eng auf dem Podest. Jetzt will ich die neunmal! Kurz schreibe ich eine SMS an Jürg und Hermi das die 8 voll sind. Ich spüre die Anspannung der Beiden ob ich es wirklich schaffe.

Den Downhill muss ich wandernd bewältigen. Meine Beine schmerzen und etwas Zweifel ob der Sinnhaftigkeit der ganzen Unternehmung kommen auf. Doch wie bereits mehre Male heute bauen mich Tee, Cola und Käsebrote auf. Die neunte Runde schaffe ich. Irgendwie. Noch acht Stunden bis die 24 Stunden voll wären. Das reicht sogar noch für drei Runden. Doch das schliesse ich von vorn herein aus. Eine Runde noch und dann ist Schluss. Wer es dann doch noch die 10 in 2015 schafft, Glückwunsch!

Es fällt wahnsinnig schwer. Inzwischen schmerzt alles. Sogar der Rücken. Es wird schon dunkel und ab der Wiese bläst wieder dieser fiese, eisige Wind von letzter Nacht. Es sind über null Grad, gefühlt aber eher Sibirien. Hinzu kommen Müdigkeit und die Erschöpfung. Die   Nöhlerei und das hapern mit mir wird nur vom unbändigen Siegeswillen übertrumpft. Wehmütig blicke ich den Berg hoch. Schleppend gehe ich voran. Inzwischen ist es noch dunkler. Keine wärmende Sonne mehr. Noch drei Kehren. Mit Hermi viel es leichter. Ich bin alleine. Noch zwei Kehren. Die Vorfreude steigt. Ich werde es schaffen. Die letzte Kehre. Die letzten Kraftreserven und Muskelzuckungen. Geschafft!

Neunmal Regitzer! Platz 1!

Gerne hätte ich oben gefeiert. Einen Sekt aufgemacht. Doch der Sibirische Wind bläst mich ins Tal. Es ist arschkalt und schaffe es kaum den beiden Locals per SMS den Erfolg zu schreiben.

Inzwischen ist es dunkel. Im Lichtkegel der Lampe stolpere ich nach Fläsch.

Zieleinlauf (C) Jürg Mathis

Zieleinlauf (C) Jürg Mathis

Kurz vor 18Uhr: Am Ende des Türlisweg ruft mir Jürg Glückwünsche entgegen. Ich bin einfach nur geschafft und freue mich riesig das er da ist.

Was für eine Tourtor. Über 65km. Ca. 5.500 hm. Knapp 16 Stunden unterwegs. Ein Sonnenaufgang. Ein Sonnenuntergang. Was für ein Tag.

Nun freue ich mich auf die heiße Dusche. Ich kann bei Jürg übernachten und da die Gefahr groß ist im Restaurant einzuschlafen macht er mir netterweise Nudeln. Mit Soße. Mild.
Mir brennt es den Rachen weg! Aber es schmeckt und weckt Lebensgeister. Trotz meines schmerzenden Armes (wegen dem Stockeinsatz) stemme ich zwei Bier bevor ich im stehen einschlafe und mich in den Schlafsack verabschiede.

(Jürg meinte übrigens nach den 4x im Februar das 5x sicher machbar ist. Genau, sind sie. Mehrmals sogar!)

Kommentar bei den Grischuni Runners

Kommentar bei den Grischuni Runners

Der Bericht bei den Grischuni Runners ist hier zu lesen.

Dienstag –  Muskelkater olé

Was für ein Ritt. Die Aktion gestern hat mich ordentlich fertig gemacht. Gerädert wache ich bei Jürg im Arbeitszimmer auf und kann aus dem Fenster in Richtung Regitzer schauen. Das Wetter heute ist nicht so toll wie gestern. Dichter Nebel verdeckt die Wand. Nach einem Tee verabschiede ich mich und fahre heim.

Den Tag verbringe ich zwischen Bett und Kühlschrank. Doch selbst dieser Weg ist schmerzhaft. Ein höllischer Muskelkater in den Waden und Oberschenkeln fordert meinen Willen heraus. Aktuell habe ich nicht wirklich viel Motivation das durch zu ziehen. Gestern war mit über 60 Kilometern und 5.500 hm schon eine reife Leistung. So ganz ohne Training. Und überhaupt.

Ich könnte hier abbrechen und trotzdem stolz sein. Cooler Fact: Bei der Strava Climbing Challenge Dezember stehe ich auf Platz 7!

Mittwoch – noch 4.500 hm – Regen ist nur Wasser

Abbrechen? Niemals! (Ausser ich wäre verletzt)
Selbst das demotivierende Wetter mit Regen und Nebel lässt mich kalt. Ich werde heute Abend Höhenmeter sammeln gehen. Eigentlich wollte ich ins Allgäu um mehr Meter auf einen Schlag zu schaffen. Doch dort gibt es noch mehr Niederschlag. Das lohnt sich nicht. So muss der heimische Hügel her halten. Am Nachmittag reisst sogar die Wolkendecke auf und ich nutze es um zum Hohenhewen zu fahren.

Sonnenuntergang am Hohenhewen

Sonnenuntergang am Hohenhewen

Die ersten Meter sind so glitschig, ich komme kaum hoch. Der Regen hat den Pfad völlig zermatscht. Shit. So wir das nichts mit dem Sammeln. Nach dem zweiten Aufstieg gehe ich die andere Seite zum Parkplatz runter. Etwas länger, dafür aber laufbar. Insgesamt schaffe ich an diesem Nachmittag bei knapp 20 Kilometern über 1.200 Höhenmeter in vier Aufstiegen.

Erstaunlich ist die Tatsache trotz Muskelkater und anfänglicher Probleme so gut voran zu kommen. Zum Ende hin spüre ich kein Zimperleinchen mehr.

Donnerstag – Malochen!

Heute muss ich arbeiten. Den ganzen Tag sitze ich am Laptop und hänge am Telefon. Bis kurz nach 17Uhr bewege ich mich als braver HomeOffice-Arbeiter zwischen Schreibtisch und Küche. Tee, Wasser und viel essen. Seit der Gewalttour am Montag habe ich unstillbaren Kohldampf.
Endlich Feierabend. Und keine Lust. Es ist draussen schon finstere Nacht. Nein, heute habe ich keine Lust.

Noch bis spät liege ich wach im Bett. Schlechtes Gewissen lässt mich rechnen wieviele Höhenmeter ich die verbleibenden Tage noch schaffen muss und wie ich es am Besten aufteile. Ich hätte heute etwas tun sollen. Verdammt.

Freitag – noch 3.236 hm

Mein schlechtes Gewissen treibt mich schon früh um 7 Ur aus dem Bett. Ein paar Meter muss ich heute schaffen damit es am Wochenende nicht so ein Stress wird. Ich habe am Nachmittag einen Termin und Abends auf den Weihnachtsmarkt. Der ganze Vormittag steht mir also zur Verfügung. Auf zum Hohenhewen. Aus den Erfahrungen von Mittwoch gelernt starte ich vom Wanderparkplatz Anselfingen aus zum Gipfel.

Morgenblick vom Hohenhewen

Morgenblick vom Hohenhewen

Mit mir zusammen geht ein älterer Herr los. Ich überhole und grüße ihn. Es dauert nur 22 Minuten bis oben und sofort laufe ich wieder runter. Der Herr grüßt mich wieder.

Unten angekommen geht es wieder hoch. Kurz vor der Burg überhole ich den Wanderer und er ruft schmunzelnd: „Wie oft?“. Meinem Plan zufolge antworte ich „4“.

Bei der nächsten Runde steige ich auch auf den Aussichtsturm. Sind schliesslich auch 10 Meter. Unten steht der Herr und feuert mich an. Als ich sage das mir die 3x jetzt für heute doch reichen, scheint er enttäuscht zu sein. Enttäuschung ist doof. Als ich beim Auto ankomme stelle ich fest, dass ich noch einiges an Zeit habe. Ganz nach oben schaffe ich es nicht und so laufe ich mehrmals den geteerten Abschnitt hoch und runter.

Insgesamt kommen so 1.312 Höhenmeter heute zusammen. Das hat sich gelohnt und das Wochenende kann kommen.

Samstag – noch 1.924 hm

Eigentlich hatte ich meinen Allgäu Besuch bereits am Mittwoch geplant. Doch dass Wetter war so übel, dass es sich nicht gelohnt hätte. Um nun die fehlenden Höhenmeter noch locker zu schaffen wollte ich nun heute am Samstag zum Grünten. Perfekterweise lud heute ausserdem Allgäu Ausdauer zu einer geselligen Laufrunde in drei Leistungsgruppen in Rettenberg ein. Also Chance nutzen, einige Höhenmeter am Morgen sammeln und dann noch eine entspannte Runde mit noch ein paar Höhenmetern am Nachmittag in Gesellschaft.

Die Idee es vielleicht bereits nach dem Nachmittag alle Höhenmeter der Woche beisammen zu haben verabschiedete ich mit dem Blick auf die Uhr. Es ist um 8Uhr und ich stehe etwas erschlagen auf. Der Weihnachtsmarkt gestern Abend war schön, aber auch lang.

Aufstieg zum Grünten. V.l. Burgberger Hörnle

Aufstieg zum Grünten. V.l. Burgberger Hörnle

Schnell fahre ich nach Burgberg unterhalb des Grünten. Hier ist es am steilsten und ich bekomme viele Höhenmeter auf wenig Kilometer. Die Schneesituation sieht auch besser als auf der anderen Seite aus. Sonnenseite eben. Ich komme gut voran und erst kurz vor dem Grüntenhaus habe ich in der Wiese Probleme. Die Bäche sind alle vereist und machen es nicht einfach. Meine Schuhe haben so oder so nur noch sehr wenig Grip. Und hier geben sie gar keinen Halt mehr. Am Grüntenhaus, leider geschlossen, vorbei hinauf zum Sendemast wird es nicht besser. Ich hangle mich von einem Begrenzungsposten zum Nächsten. Das bringt nicht viel. Oben angekommen sehe ich die Traverse Richtung Jäger-Denkmal/ Grünten-Gipfel und das dort vereister Schnee ist. Nein danke. Hier ist für mich heute Schluß. Zu gefährlich mit den Schuhen und Höhenmeter bringt es mir auch nichts mehr.

Am Grünten-Sender

Am Grünten-Sender

Mehr rutschend als rennend geht es wieder runter. Nach den Wiesen, im Wald, kann ich endlich wieder Tempo machen. Am Parkplatz angekommen schaue ich auf die Uhr und habe noch etwas Zeit bevor ich nach Rettenberg aufbrechen muss. Also wieder an den Berg. Wieder Uphill. Tatsächlich schaffe ich nochmal über 200 vertikale Höhenmeter. Dann drehe ich um und laufe zurück zum Auto.

Kurz umgezogen und schon stehe ich an der Grundschule in Rettenberg inmitten von fast 70 bunt-gekleideter Läufer(innen). Allgäu-Ausdauer hatte wie jedes Jahr zum Lauf eingeladen. Drei Strecken stehen zur Auswahl. Den ganz langen Kanten übernimmt mit Philipp Quack ein Lokalmatador und Gewinner des Allgäu Panorama Ultra. Ebenfalls aus dem Allgäu und auch Gewinnerin des APUT: Gitti Schiebel. Sie übernimmt die kurze Runde. Und genau dieser schliesse ich mich an. Diese Woche bin ich schon genug gelaufen.

Laufgruppe mit Gitti

Laufgruppe mit Gitti

Auf einem Mix aus Forstweg und flowigen Trails laufen wir bergauf und bergab entlang der Hügelkette zum Falkenstein. Das viele Laub verbirgt tückisch die Wurzeln was uns öfter leicht umknicken und fluchen lässt. Aber es ist ein Haidenspaß. Bei der Mitte ist eine kleine Versorgungsstation und es gibt wunderbar heißen Tee. Diese Flüssigkeit habe ich spätestens seit Montag innig lieben gelernt.

Blick vom Falkenstein

Blick vom Falkenstein

Die restliche Strecke führt über die Kette mit tollen Ausblicken Richtung Grünten und Immenstadt bevor es im schnellen Downhill zurück nach Rettenberg geht. Die Gemeinschaftsdusche ist voll, aber heiß. Ein Genuss nach dem klaren und kühlen „Winter“tag.

Einfach nach Hause fahren ist nicht. Gemeinsam geht es noch zum Italiener. Nach dem ein oder anderen Bier und einer guten Portion mit Käse überbackenen Nudeln fahre ich nach Hause und falle wie ein Stein ins Bett.
Heute habe ich das Ziel noch nicht geschafft. Doch es sieht sehr gut aus.

Sonntag – nur noch 254 hm – Finale!

Ich will es schaffen. Lächerliche 254 Meter trennen mich vom Ziel der Woche. Früh am Morgen fahre ich zum Wander-Parkplatz am Hohenhewen. Der gehasste Bodensee-Winter-Nebel hängt über dem unteren Hegau. Keine Sicht oder Chance auf Aussicht. Was für ein Abschluß. Gerne hätte ich mir Panoramawetter oder Fön gewünscht. Dann halt blind.
Erstaunlich wie locker flockig ich nach den letzten sieben Tagen jetzt aufsteige. Teilweise renne ich da es besser geht als wandern und dann ist es zusammengerechnet geschafft: 10.000 Höhenmeter!

Ruine Hohenhewen

Ruine Hohenhewen

Auf den Gipfel möchte ich trotzdem noch. Einen Puffer schaffen. Tatsächlich reissen die Wolken auf und der Aussichtsturm ist über den Wolken. Grandios und eine willkommene Belohnung für die Strapazen der Woche.

Hohenhewen - über den Wolken

Hohenhewen – über den Wolken

Ich geniesse die Sonne, mache Bilder und freue mich wie ein kleines Kind. So wirklich hatte ich nicht daran geglaubt es zu schaffen. Und doch beweist es wieder:

Wenn du etwas wirklich willst, dann schaffst du es auch.

Finisher Selfie

Finisher Selfie

Im Downhill lasse ich es zur Feier des Tages nochmal richtig krachen. Unter fünf Minuten auf den Kilometer lege ich auf den Trail. Für mich unfassbar schnell. Die Erfüllung einer Idee verleiht mir Flügel. Geschafft. Ich kann es kaum glauben.

Ob ich es im nächsten Jahr wieder mache? Als Vorbereitung für Madeira? Vielleicht.

Jetzt bist du dran. Hast du Lust bekommen?

Nachtrag: Meine 9x auf den Regitzer wurde in 2015 dann doch noch überboten. Am 29.12. fährt Rolf  mit dem Fahrrad 10x zum Gipfelplateau. Glückwunsch zum Sieg!
Ein wenig ärgere ich mich schon doch noch auf Platz 2 verwiesen worden zu sein. Aber auf der anderen Seite: mit dem Rad ist es wesentlich leichter. (Rolfs Antwort auf die 24h- Challenge)

Meinungen & Diskussion

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  1. Chris sagt:

    Verrückter Kerl! Was für ne Leistung, Glückwunsch, sowas ist für mich Flachlandberlin total schwer vorstellbar! Darauf erst mal ein käsebrot ;-)

  2. Markus sagt:

    Meinen Glückwunsch für Deine Leistung !
    Einer meiner Leitsätze ist genau dieser :
    Wenn Du etwas wirklich willst, dann schaffst Du es auch !
    Schön geschrieben und da ich selbst über meine vielen Erlebnisse keinen Blog führe, ist es sehr schön diese ganzen emotionellen und körperlichen Ereignisse zu lesen und sich selbst wieder zu finden.

    Weiterhin alles Gute für das neue Jahr 2016 und vielleicht, wie auch kurz 2015-Isarauen-München, sieht man sich mal länger mit Unterhaltung 2016.

    VG vom Allgaeuer

    1. Robert sagt:

      Danke Markus. Sehr schön zu lesen, dass du dich wieder findest.
      Hoffe stark wir sehen und dieses Jahr mal wieder.
      Gerne würde ich mich auch mal über einen Text von dir freuen.

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